Anlässlich des 80. Jahrestags der Novemberpogrome erschienen auch mehrere neue Veröffentlichungen zu den Gewaltereignissen. Sven Felix Kellerhoff, ein ausgewiesener Fachmann für die Thematik, publizierte mit „Ein ganz normales Pogrom“ (Stuttgart: Klett-Cotta 2018) eine gut lesbare Mikrostudie, die sich dem Pogrom im kleinen Örtchen Guntersblum zwischen Mainz und Worms zuwendet.
Aufmerksam wurde Kellerhoff auf den Ort aufgrund von Fotos, die die Demütigung von sechs als Juden verfolgten Guntersblumern zeigen, die durch die Straßen getrieben und misshandelt wurden.
Parallelen zu Sachsen
Auch, wenn diese Studie sich nicht mit einem sächsischen Ort beschäftigt, so zeigt sie doch Parallelen zu den hiesigen Pogromereignissen: Auch in Sachsen wurden etwa in Bautzen oder in Wilthen als Juden verfolgte Menschen vor den Augen zahlreicher Zuschauer immer wieder körperlichen Übergriffen und Demütigungsritualen ausgesetzt.
Und wie in Guntersblum kam es auch hier oft zu Plünderungen, die teils schon kurz nach den Ereignissen durch NSDAP-Stellen untersucht und auch geahndet wurden – so etwa in Meißen. Die eigentlichen Strafverfahren folgten dann jedoch erst nach 1945. Diese weiter und genauer zu untersuchen, bleibt zukünftigen Forschungen vorbehalten.
Kellerhoffs Studie zeigt jedenfalls einmal mehr, dass sich die Pogrome eben nicht allein auf die Großstädte beschränkten, sondern gerade in den kleinen Orten aufgrund der persönlichen Nähe der dort Lebenden eine besondere Dimension besaßen. Nach 1945 oft verschwiegen, gehören sie inzwischen in vielen Fällen zum Bestandteil der lokalen Erinnerungskulturen.
In Guntersblum erinnern so unter anderem seit 2011 insgesamt 23 Stolpersteine an die NS-Verfolgten (S. 196).
Anm.: In einer früheren Version dieses Beitrags hieß es statt „Guntersblum“ fälschlich „Gundersblum“. Der Fehler ist nun behoben, herzlichen Dank für die diesbezügliche Rückmeldung.