Monthly Archives: Juli 2018

Ein Foto und seine Geschichte (15): Der Neue Israelitische Friedhof in Leipzig

Zu den Gemeindeeinrichtungen, die in Leipzig gezielten Angriffen der Pogromtäter ausgesetzt waren und zerstörten wurden, gehörten auch die Gebäude des Neuen Israelitischen Friedhofs an der Delitzscher Straße.

Verschiedene Fotos

Am 10. November wurden die Gebäude in Brand gesetzt. Die nur wenig beschädigte Kuppel der Trauerhalle wurde Anfang 1939 gesprengt (vgl. verschiedene Fotografien).

Gleich mehrere Aufnahmen sind bekannt, die die zerstörten Friedhofsgebäude nach dem 10. November 1938 abbilden. Sie zeigen auch, dass zahlreiche Menschen die Ruinen mit ihren zerstörten Dächern und rußgeschwärzten Fensterhöhlen in Augenschein nahmen.

Mehrere unterschiedliche Aufnahmen der Friedhofsruinen sind im Archiv der Israelitischen Gemeinde zu Leipzig überliefert. Über die Herkunft der Bilder und den Fotografen sind mir keine Hinweise bekannt.

Eine der Aufnahmen, die unter anderem einen PKW vor dem Friedhofsgrundstück zeigt, ist abgedruckt in: Held, Steffen: Jüdische Friedhöfe in Leipzig, Leipzig 1999, [o. S.].

Ein Foto und seine Geschichte (14): Der Pogrom in Wilthen

Zu den erschütterndsten Aufnahmen, die die Demütigung von als Juden verfolgten Menschen in Sachsen zeigen, zählt eine Fotografie aus Wilthen. Die Aufnahme zeigt eine offensichtlich erheiterte Menschenmenge vor dem Gasthaus ‚Goldener Engel‘, das mit Hakenkreuzfahnen geschmückt ist.

Im Leiterwagen durch den Ort

Inmitten der Menschen ist ein Leiterwagen zu sehen, auf dem die Unternehmerin Gertrud Joachimsthal und ihr kriegsversehrter, zu dieser Zeit auf Besuch weilender Bruder Hugo Rosenthal am 10. November 1938 durch Wilthen gezogen und gedemütigt wurden. Die Aufnahme befindet sich heute im Archiv des Stadtmuseums in Bautzen. Der Fotograf ist unbekannt. Es ist durchaus denkbar, dass sich einzelne Personen auf dem Foto heute noch namentlich identifizieren lassen.

Während Joachimsthal und Rosenthal nach vorhergehenden Schlägen ernst, aber mit Würde die Demütigung über sich ergehen lassen müssen, lachen die meisten auf dem Foto abgelichteten Frauen, Männer und Kinder. Die Menschen tragen zum Teil ihre Arbeitskleidung. Die Aufnahme erweckt fast den Eindruck einer Volksfeststimmung; Uniformen sind nicht zu erkennen.

Über die Zerstörung der Fabrik und des Wohnhauses von Gertrud Joachimsthal sowie die gegen die sie und ihren Bruder geübte Gewalt schrieb schon in den 1960er-Jahren Erich Lodni. In seinem Beitrag wurde offensichtlich auch erstmals das Foto abgedruckt. Offen ist, ob noch weitere Aufnahmen der antisemitischen Exzesse in dem kleinen Ort entstanden und die Zeit in privaten Fotoalben überstanden haben.

Siehe: Lodni, Erich: Die Bautzener Kristallnacht 1938. Vor 25 Jahren, am 10. Nov. 1938, erlebte Bautzen die unmenschlichen Judenverfolgungen, in: Bautzener Kulturschau 13 (1963), 11, S. 2–5.

Évian – eine Flüchtlingskonferenz ohne Ergebnis im Sommer 1938

Nach dem ‚Anschluss‘ Österreichs im März 1938, die massive antisemitische Exzesse nach sich zogen, verschärfte sich die Fluchtsituation von als Juden verfolgten Menschen in den annektierten Gebieten dramatisch. Auch im Deutschen Reich versuchten unzählige Verfolgte der radikalisierten deutschen Judenpolitik durch Flucht zu entgehen.

Initiative Roosevelts

Zahlreiche westeuropäische Staaten verschärften angesichts der massiven Einwanderungswelle die Einreise: Verfolgte wurden an der Einreise gehindert, die bürokratischen Hürden massiv erhöht.

In dieser Situation lud der amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt zu einer internationalen Flüchtlingskonferenz in den französischen Badeort Évian-les-Bains am Genfer See. Vertreten waren die Vereinigten Staaten, Großbritannien, Frankreich, die Niederlande, Belgien, die Schweiz, Schweden, Norwegen, Dänemark, Irland, Kanada, Australien, Neuseeland sowie nahezu alle mittel- und südamerikanischen Staaten. Polen und Rumänien, die in dieser Zeit selbst eine stark antisemitische Politik vertraten, entsandten Beobachter. Das Deutsche Reich, Italien, Japan, die Sowjetunion, die Tschechoslowakei und Ungarn waren nicht eingeladen.

Ohne echtes Ergebnis

Im Ergebnis sträubten sich die meisten Staaten, ihre Grenzen für als Juden Verfolgte zu öffnen. Vertreter aus osteuropäischen Staaten forderten sogar, dass auch die ‚Judenfrage‘ ihrer Länder durch Auswanderung gelöst werden müsse. Letzlich wurde lediglich ein Intergovernmental Committee on Refugees eingerichtet, das in Absprache mit deutschen Stellen die Emigration von als Juden Verfolgten regulieren sollte, dessen Wirkung aber letztlich von den historischen Ereignissen – den Novemberpogromen und 1939 dann dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs – überholt wurde.

Zum Thema aktuell auch SPIEGEL ONLINE unter: http://www.spiegel.de/einestages/konferenz-von-evian-1938-kein-asyl-fuer-juedische-fluechtlinge-a-1216376.html

 

Pogrom und Bildung (2): Was war wo? Ein Stadtrundgang durch Torgau 1933-1945

Zu den Projekten, die die lokale Geschichte der Zeit des Nationalsozialismus aufbereiten und für die Bildungs- wie Erinnerungsarbeit zur Verfügung stellen, gehört auch ‚Was war wo? Ein Stadtrundgang durch Torgau 1933-1945‘. Das Projekt entstand in Zusammenarbeit des Dokumentations- und Informationszentrums Torgau und der Mittelschule Nordwest Torgau im Rahmen des Programms ‚LernStadtMuseum‘.

Google-Karte mit der Geschichte des Nationalsozialismus

Auf der Grundlage einer Google-Karte erschließt das Projekt eine Stadttopografie, die für die Zeit des Nationalsozialismus relevante Orte vorstellt. Darunter befinden sich neben Orten der Wehrmachtsjustiz, des Kriegsgeschehens oder der Erinnerung auch fünf Schicksale von als Juden verfolgten Torgauern.

Torgau und die Pogrome

Die kurzen Einträge geben auch Hinweise zum lokalen Pogrom:

Betroffen war davon etwa das in der Breiten Straße 26 (Hermann-Göring-Straße) gelegene Kaufhaus Ahlfeld, das 1938 von Kurt Kroner geleitet und verwüstet wurde. Bei dem Arzt Kurt Behmack am Schlageterplatz wurde zwar nichts zerstört, wohl aber die Patientenkartei beschlagnahmt. Auch das Textilkaufhaus Rosenthal von Max und Gertrud Isaacsohn, die beide evangelisch, aber als Juden aufgrund ihrer Abstammung verfolgt waren, wurde verwüstet. Im Gegensatz zu den anderen Genannten gelang ihnen die Emigration nicht; sie wurden Anfang 1942 nach Riga verschleppt und ermordet.

Ebenfalls demoliert wurde die Zahnarztpraxis von Max Kukurutz in der Breiten Straße 4 (damals Hermann-Göring-Straße). Kukurutz wurde festgenommen und war für sieben Wochen ins Konzentrationslager Buchenwald verschleppt. Er emigrierte 1939 nach New York; seine Familie konnte ihm erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nachfolgen.

Ein Leserbrief aus Radeberg – Erinnerung an die Pogrome von 1938?

Vor allem im Zusammenhang mit den Jahrestagen der Novemberpogrome, dem Gedenken an die nationalsozialistische Judenverfolgung oder auch einfach städtebauliche Veränderungen erinnerten sich Menschen an ihre Erlebnisse vom Herbst 1938.

Das Textilgeschäft neben dem Kino ‚Metropol‘

In Radeberg erinnerte sich der inzwischen verstorbene Gottfried Beier 2004 angesichts der Sanierung des Gebäudes des ehemaligen Kinos ‚Freundschaft‘ auf der Hauptstraße an die Geschichte des Hauses. Er schrieb in einem Leserbrief an die Sächsische Zeitung:

„Bis kurz nach dem Zweiten Weltkrieg trug die Spielstätte den Namen »Metropol« und sie gehörte der Familie Poser bis zur Enteignung. […] Ich entsinne mich auch noch mit Wehmut, dass nach der so genannten Reichskristallnacht im Jahre 1938 die Nazis die Schaufensterscheiben des Textilwarengeschäftes neben dem Kino, Ecke Hauptschulstraße, beschmiert hatten und der sehr beliebten jüdischen Familie Iggenberg übel zusetzten. Glücklicherweise konnte sie freilich gänzlich mittellos Deutschland noch verlassen. Die guten Iggenbergs sind vor Harm und Traurigkeit in einer Londoner Kellerwohnung verstorben“ (Beier, Gottfried: Ein Haus voller Geschichte [Leserbrief], in: Sächsische Zeitung [Radeberg] (20.02.2004), S. 14).

Modewaren Minna Ikenberg

Hinweise zur Geschichte von Minna Ikenberg finden sich unter anderem in den Arbeiten von Hugo Jentsch zur Geschichte der Juden in Pirna. Demnach seien Minna und ihr Mann, der Handlungsreisende Salomon Ikenberg, 1886 aus den USA nach Pirna gekommen. Dort betrieben sie ein Weißwarengeschäft, dass sie aber schon 1893 wieder auflösten und dann anscheinend nach Remscheid gingen. Das Adressbuch von Radeberg verzeichnet für 1937 auf der Hauptstraße 34 das Modewarengeschäft Minna Ikenberg. Ikenberg starb bereits 1935 (vgl. die Todesanzeige im Gemeindeblatt der Jüdischen Gemeinde zu Berlin 25, 13 (31.03.1935), S. 13). Das Radeberger Geschäft führte der 1885 geborene Verwandte Arthur Schaefer, der 1943 in Auschwitz umkam.

Erinnerung und Geschichte

Inwiefern Beiers Erinnerungen an mutmaßlich mit den Novemberpogromen in Verbindung stehenden Übergriff gegen das Geschäft Ikenberg tatsächlich in dieser Form den historischen Realitäten entsprachen, lässt sich indes bislang nicht ausreichend belegen. Eine Studie zur Geschichte Radebergs in der Zeit des Nationalsozialismus führt sogar an, dass das Geschäft bereits im August 1938 an einen ‚arischen‘ Inhaber, an Rudolph Martin, übergegangen sei. Dass das Geschäft zuvor von SA-Männern und aufgeputschtem Mob demoliert worden sei, habe die Inhaber zum Verlassen der Stadt bewogen (vgl. Wehner, Helfried et al.: Radeberger Land unter dem Hakenkreuz. Fakten und Ereignisse aus unserer Stadt und den umliegenden Orten während des „Dritten Reiches“, Zittau [1999], S. 55).

Ob dann im November 1938 die Schaufensterscheiben gleichwohl nochmals beschmiert wurden, bleibt offen. Denkbar ist auch, dass dieser Vorfall bereits früher stattfand.

Nach den Pogromen: Die ‚Judenfrage‘ gelöst (2)

Die Annahme, dass die ‚Judenfrage‘ im Deutschen Reich nach den Pogromen und den darauf folgenden antisemitischen Verordnungen ‚gelöst‘ sei, teilte man auch beim Sicherheitshauptamt des Reichsführers SS – allerdings nuancierter.

Jahresbericht für das Jahr 1938

Im Jahresrückblick auf 1938 hieß es unter dem Kapitel Judentum und mit Blick auf die Radikalisierung und Beschleunigung der antisemitischen Politik: „Im Berichtsjahr 1938 fand die Judenfrage in Deutschland, soweit sie auf dem Gesetzes- und Verordnungswege zu regeln war, ihren Abschluß“ (zit. nach Adler-Rudel, Schalom: Jüdische Selbsthilfe unter dem Naziregime 1933-1939, Tübingen 1974, S. 18).

Im Gegensatz zu manch anderen Kommentatoren, die die ‚Judenfrage‘ als insgesamt gelöst betrachteten, war man sich hier schon darüber in Klaren, dass weitere Schritte gegen die als Juden verfolgten Menschen zu unternehmen seien – auch vor dem Hintergrundwissen, dass vielen Verfolgten aufgrund ihrer zunehmenden Verarmung oder ihres Alters gar nicht mehr zur Ausreise aus Deutschland in der Lage wären. Die SS und das 1939 geschaffene Reichssicherheitshauptamt in Berlin übernahmen zunehmend die Oberhand in der deutschen ‚Judenpolitik‘, die indes Ende 1938 noch nicht auf Massenmord ausgelegt war.

Nach den Pogromen: Die ‚Judenfrage‘ gelöst (1)

Mit der Anordnung der Einstellung der offenen Pogromgewalt am 10. November 1938 – die Festnahmen von als Juden verfolgten Menschen gingen davon unberührt auch in den Folgetagen noch unvermindert weiter – war die Absicht verbunden, die ‚Judenfrage‘ nunmehr auf gesetzlicher Grundlage zu lösen.

Die Verordnungen des 12. November 1938

Nach den drei Verordnungen vom 12. November 1938 (‚Sühneleistung‘; Wiederherstellung des Straßenbildes; Ausschluss aus dem Wirtschaftsleben) sowie weitere Folgeverordnungen, die etwa den Besuch von Theatern und allgemeinen Schulen verboten, sahen selbst viele Nationalsozialisten die ‚Judenfrage‘ als gelöst an. So tat es auch der eingefleischte Antisemit und sächsische Gauleiter Martin Mutschmann, als er Anfang 1939 auf das Vorjahr zurückblickte.

Die zunehmende Ausgrenzung aus der Öffentlichkeit und die forcierte Migration vor Augen gingen sie davon aus, dass bald allen als Juden Stigmatisierten ihre wirtschaftliche Grundlage entzogen und somit ihre Emigration unausweichlich sei.

Pogrom und Bildung (1): Die Reichspogromnacht vor deiner Haustür

Auf der Plattform EDUdigitaLE der Universität Leipzig werden für LehrerInnen und ReferendarInnen sowie Interessierte unter anderem didaktische Materialien zur Gestaltung des Geschichtsunterrichts angeboten.

Der Pogrom in Wurzen

Unter dem Titel ‚Die Reichspogromnacht vor deiner Haustür – Nationalsozialismus in Wurzen (Gym)‘ unterbreitet die Plattform auch einen Unterrichtsvorschlag zum Pogrom in Wurzen, der auf zwei Schulstunden (90 min) ausgelegt ist. Handreichungen, Material und Aufgabenvorschläge können genutzt werden, um im Unterricht die Wurzener Pogromereignisse zu erschließen.

Der Unterrichtsvorschlag wurde von Lehramtsstudierenden der Universität Leipzig erarbeitet. Als Open Educational Resources (OER) steht er für die Bildungsarbeit kostenlos und frei zugänglich zur Verfügung.

Zeitzeugenberichte

In Wurzen war unter anderem die Familie Luchtenstein von der Pogromgewalt betroffen. Ein Zeitzeugenbericht von Hans Luchtenstein gehört zum zur Verfügung gestellten Material. Zwar nennt Luchtenstein fälschlich den ‚Reichstagsbrand‘ von 1933 als Ursache des Pogroms – und nicht das Attentat in Paris. Er beschreibt jedoch auch, wie er das zerstörte Geschäft mit seinem Vater und seinem Onkel Walter vor den Augen einer immerhin zurückhaltenden Menschenmenge habe aufräumen müssen. Onkel Walter sei schließlich ins Konzentrationslager Sachsenhausen gekommen.

Drei weitere Interviews von Wurzener Zeitzeugen ergänzen den Bericht Luchtenstein und bieten einige Details.

Blogprojekte zu den Novemberpogromen (1): 1938 Projekt

Anlässlich des 80. Jahrestags der Pogrome wurden verschiedene Projekte ins Leben gerufen, die einen Einblick in die Zeit des Jahres 1938 bieten sollen.

1938 Projekt. Posts from the Past

Ähnlich dem BRUCH|STÜCKE-Blog mit seinen täglichen Einträgen verfolgt das ‚1938 Projekt. Posts from the Past‘ die Realitäten des Jahres 1938: Das Leo Baeck Institut – New York | Berlin nimmt in Kooperation mit mehreren Projektpartnern das Jahr aus der Sicht der als Juden verfolgten Menschen in den Blick.

Anhand persönlicher Dokumente – von Briefen, amtlichen Schreiben, Fotografien, Tagebucheinträgen und anderem mehr – werden für jeden Tag des Jahres persönliche Erfahrungen mit der zunehmenden Entrechtung und Verfolgung im Deutschen Reich und in Österreich vorgestellt. Sie geben Einblicke in die privaten Lebensumstände und Gefühlslagen  der Verfolgten. Die kleinen Beiträge sind in deutscher und englischer Sprache abrufbar.

Homepage des Onlineprojekts: https://www.lbi.org/1938projekt/de/

Podcast über das Projekt mit Frank Mecklenburg, Director of Research and Chief Archivist of the Leo Baeck Institute, New York: https://www.jewishhistory.fm/why-1938-matters-today-with-frank-mecklenburg/ [Stand: 03.07.2018]

Pogrom im Roman (1): Margrit Hauser

Nicht nur in künstlerischen Werken schlugen sich die Ereignisse der Novemberpogrome nieder, sondern sie fanden mit Bezug auf Sachsen auch in die Literatur Eingang.

Elsa Hinzelmann

Zu dem Autorinnen, die sich der Geschichte der Dresdner Synagoge und der Zerstörung des Gebäudes einhundert Jahre nach der Grundsteinlegung 1938 zuwendete, war Elsa Hinzelmann (1895-1969). Sie war für ihre Kinderbücher bekannt, verfasste unter dem Pseudonym Margrit Hauser aber auch Bücher für Erwachsene.

Hinzelmann wuchs in Dresden auf, kannte also die Stadt und Synagoge. Ab 1936 lebte sie in der Schweiz. Ihr Mehrgenerationenroman ‚Frauenbetplatz Nr. 9‘ gibt einen Einblick in die Geschichte des 1840 geweihten Synagogenbaus in Dresden.

„Der Qualm lag stinkend über den Dächern …“

Der Roman endet mit der Zerstörung der Dresdner Synagoge, deren Ruine von der Romanfigur Bettina Ascher, einer Ururenkelin der Stifterin des Frauenbetplatzes Nr. 9, Helena Wolfsohn, vor ihrer Abreise aus Dresden am 10. November 1938 noch sah. Im Roman heißt es dazu unter anderem:

„Der Qualm lag stinkend über den Dächern und trübte das Morgenlicht, das einen schönen Tag versprach. […].

Für einen Augenblick schwindelte es ihr; aber dann ging sie festen Schrittes und unbewegten Gesichtes dorthin, wo der Qualm seinen Ausgang nahm und eine Menschenmenge stand.

Schwarze, fensterlose Mauern, das Dach eingestürzt – zerstört der Tempel, begraben der Frauenbetplatz Nr. 9 …

Nichts war zu hören als das leise Prasseln und Krachen aus dem Innern der Ruine. Die Menge verharrte in eisigem Schweigen und starrte auf das schwelende Gotteshaus; der ein oder andere der Männer hielt seinen Hut in der Hand.

[…] Der Abschied war endgültig“ (Hauser, Margrit [d. i. Elsa Hinzelmann]: Frauenbetplatz Nr. 9 (1838-1938), Zürich 1967, S. 438).