Ein Foto und seine Geschichte (14): Der Pogrom in Wilthen

Zu den erschütterndsten Aufnahmen, die die Demütigung von als Juden verfolgten Menschen in Sachsen zeigen, zählt eine Fotografie aus Wilthen. Die Aufnahme zeigt eine offensichtlich erheiterte Menschenmenge vor dem Gasthaus ‚Goldener Engel‘, das mit Hakenkreuzfahnen geschmückt ist.

Im Leiterwagen durch den Ort

Inmitten der Menschen ist ein Leiterwagen zu sehen, auf dem die Unternehmerin Gertrud Joachimsthal und ihr kriegsversehrter, zu dieser Zeit auf Besuch weilender Bruder Hugo Rosenthal am 10. November 1938 durch Wilthen gezogen und gedemütigt wurden. Die Aufnahme befindet sich heute im Archiv des Stadtmuseums in Bautzen. Der Fotograf ist unbekannt. Es ist durchaus denkbar, dass sich einzelne Personen auf dem Foto heute noch namentlich identifizieren lassen.

Während Joachimsthal und Rosenthal nach vorhergehenden Schlägen ernst, aber mit Würde die Demütigung über sich ergehen lassen müssen, lachen die meisten auf dem Foto abgelichteten Frauen, Männer und Kinder. Die Menschen tragen zum Teil ihre Arbeitskleidung. Die Aufnahme erweckt fast den Eindruck einer Volksfeststimmung; Uniformen sind nicht zu erkennen.

Über die Zerstörung der Fabrik und des Wohnhauses von Gertrud Joachimsthal sowie die gegen die sie und ihren Bruder geübte Gewalt schrieb schon in den 1960er-Jahren Erich Lodni. In seinem Beitrag wurde offensichtlich auch erstmals das Foto abgedruckt. Offen ist, ob noch weitere Aufnahmen der antisemitischen Exzesse in dem kleinen Ort entstanden und die Zeit in privaten Fotoalben überstanden haben.

Siehe: Lodni, Erich: Die Bautzener Kristallnacht 1938. Vor 25 Jahren, am 10. Nov. 1938, erlebte Bautzen die unmenschlichen Judenverfolgungen, in: Bautzener Kulturschau 13 (1963), 11, S. 2–5.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.