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Der Pogrom in Dresden und seine Chronologie (9): Der Synagogenbrand (II)

Eine der Aussagen, die die nächtliche Inbrandsetzung der Dresdner Synagoge in Frage stellt, stammt von dem 1938 in Dresden als Soldat stationierten Hans Schneider. Schneider erinnerte sich 1998, als die Plane für den Neubau einer Synagoge in Dresden konkrete Formen annahmen, an seine Erlebnisse am 9. November 1938.

Ein Leserbrief

Er schrieb dazu einen Leserbrief, der am 16. November 1998 in der Sächsischen Zeitung zum Abdruck kam. Darin heißt es:

„Eines Nachmittags – es wurde schon dunkel – kamen einige Kameraden aus der Stadt und berichteten: ‚Dort in der Stadt brennt die Synagoge!‘ Daß es irgendwo mal brannte, war ja nichts Außergewöhnliches, und die übliche Diskriminierung und Boykotthetze gegen die Juden war uns nichts Neues, aber gleich ihre Kirche? Davon, daß die „kochende Volksseele“ das alles organisiert hatte, hatten wir natürlich keine Ahnung. Ich fuhr mit ein paar Kameraden mit der Straßenbahn Linie 9 (die Endhaltestelle war ja direkt vor der Kaserne) in die Stadt. Schon auf der Augustusbrücke sahen wir das Feuer. An der Hofkirche stiegen wir aus und liefen über die Brühlsche Terrasse. Um die Synagoge standen ca. 25 bis 30 Leute und starrten auf die Flammen, die aus der Kuppel schlugen. Kaum jemand sprach ein Wort. Und das war für mich das Erschütterndste, das ich bis heute nicht vergessen kann: Das betretene Schweigen der Umstehenden. Ich fragte ein paar junge Leute, die in einer Gruppe da mit rumstanden: ‚Wo ist denn die Feuerwehr, es muß doch gelöscht werden!‘ Zunächst bekam ich überhaupt keine Antwort, nur ein Achselzucken. Einige feixten vielsagend, bis mir einer erklärte: ‚Ja die Feuerwehr war wohl da, aber die haben bloß so bissel getan und waren im Übrigen in der Hauptsache damit beschäftigt, erst mal eine große Bresche in die Mauer zu schlagen.‘ Es fielen auch hämische Bemerkungen. Das alles war mir völlig unverständlich. Als ich dann weiter fragte, zog mich ein Kamerad am Ärmel: ‚Komm, hör auf, das gibt bloß Ärger!‘ Wie es dann weiterging, wissen wir ja nun alle.“

Schneider erinnerte sich, dass er von dem Brand der Synagoge am späten Nachmittag als es schon dunkel gewesen sei, erfahren habe. Seine Erinnerungen deuten also darauf hin, dass das Dresdner Gotteshaus schon am Abend des 9. November 1938 in Flammen aufging – und eben nicht erst in den Nachtstunden. Leider ist Schneider bereits vor einigen Jahren verstorben und kann nicht noch einmal selbst zu dem Sachverhalt befragt werden.

Der Pogrom in Dresden und seine Chronologie (8): Der Synagogenbrand (I)

Wann genau brannte die Dresdner Synagoge? Diese Frage kann ich bislang noch nicht abschließend beantworten. Die Dresdner Zeitungen verlegen den Brand in die Nachtstunden. Die ‚Dresdner Neuesten Nachrichten‘ schrieb darüber am 10. November 1938: „Während der Nacht geriet die Synagoge am Zeughausplatz in Brand. Das Gebäude brannte völlig aus. Es gelang der Dresdner Feuerwehr, die umliegenden Wohngebäude zu halten.“

Zeitangaben im Dresdner Anzeiger

Ausführlicher und mit einer Zeitangabe berichtete der ‚Dresdner Anzeiger‘ vom 10. November: „In der Nacht zum Donnerstag gegen 2.10 Uhr wurde die Feuerwehr nach dem Zeughausplatz gerufen. Dort stellte sie fest, daß in der Synagoge ein Feuer ausgebrochen war, das in dem völlig ausgetrockneten Gestühl des Judentempels rasend um sich griff. Innerhalb kürzester Zeit stand die gesamte Synagoge in Flammen, so daß es den Feuerwehrmännern nicht mehr möglich war, in das Innere einzudringen.

Die Feuerwehr mußte sich darauf beschränken, die umliegenden Wohngebäude und die an den Tempel angrenzende Holzhandlung vor den Flammen zu schützen. Das Feuer hatte sich bald bis zur Kuppel hinaufgefressen und gegen 4 Uhr war die Synagoge ein riesiges Flammenmeer. Kurz darauf stürzte die Kuppel der Synagoge ein. Damit war die Hauptkraft der Flammen gebrochen.“

Offene Fragen

Wurde die Synagoge also erst in der Nacht in Brand gesteckt, wie es auch der ‚Freiheitskampf‘ am 11. November 1938 berichtete? Erreichten die Befehle also wie in Leipzig auch hier die Organisatoren der Gewalt erst gegen Mitternacht? Zumindest die Forschung ging bislang davon aus, dass die Angaben in den Zeitungsberichten korrekt waren. Überlieferungen der Brandberichte der Feuerwehr, die mehr Klarheit hätten geben können, sind indes nicht überliefert. Interessant scheint es, auch die Augenzeugenberichte noch einmal näher mit Blick auf die Chronologie in Augenschein zu nehmen.

Der Pogrom in Dresden und seine Chronologie (7): Die Zerstörung der Geschäfte (IV)

Obwohl ich bislang nur wenige Augenzeugenberichte zu den Dresdner Geschäftszerstörungen kenne, bildeten sie mit großer Sicherheit einen, wenn nicht gar den zentralen Gesprächsstoff der nächsten Tage.

Gespräch unter Schülern

Wie in Leipzig, so waren die Pogromzerstörungen auch in Dresden Gesprächsthema unter Schülern. Dabei ging es auch um zerstörte Geschäfte, wie Horst Winkler in seiner Autobiografie 1970 erinnerte: „Am 10. November sprachen alle Schulkameraden über den Sturm der SA durch die Dresdner Hauptgeschäftsstraßen. Jüdische Geschäfte hätten sie zertrümmert. Bei Pelz-Hirsch in der Prager Straße habe man alle Pelze geklaut.“

Er benennt dabei eines der Geschäfte, die konkret vom Pogrom betroffen waren: Das Modewaren- und Pelzgeschäft Hirsch & Co. auf der Prager Straße 6/8, das unter anderem Mitgliedern der Familie Merländer gehörte.

Der 1922 Geborene, der sich der Ereignisse im Nachhinein erinnerte, die er als Jugendlicher erlebt hatte, offenbarte in seinen Aufzeichnungen auch die seither stattgefundene Auseinandersetzung und sein allgemeines Wissen um die Pogromereignisse, wenn er im selben Atemzug schreibt: „Wie in Dresden hatten sie in ganz Deutschland gehaust …

Siebentausendfünfhundert jüdische Geschäfte zerstört, einhundertsiebenundsiebzig Synagogen in Flammen gesetzt, sechsundneunzig Betsäle [die Zahlen waren deutlich höher – Anm. DR] geschändet! Das war die ‚Kristallnacht‘.“

Zit. nach: Winkler, Horst: Einer vom Jahrgang 22. Autobiographie, Berlin 1970, S. 92 f.

Der Pogrom in Dresden und seine Chronologie (6): Die Zerstörung der Geschäfte (III)

Zu den Berichten über konkrete Übergriffe auf einzelne Dresdner Geschäfte zählt der des inzwischen verstorbenen Rolf W. Dieser erinnerte sich, wie er mit dem Fahrrad durch die Innenstadt gefahren sei und gesehen habe, wie ‚Braunhemden‘ (also SA-Leute) bei einem Juwelier geplündert hätten.

Der Laden seiner Kindheit

In der Erinnerung war W. empört, dass ‚sein‘ Schmuckgeschäft angegriffen worden sei: Wie oft hatte er „in der Weihnachtszeit vor dem Schaufenster gestanden und all den Glanz, den Flitter, das Märchenhafte der sich drehenden, über und über mit Gold und Edelsteinen geschmückten Pyramide bewundert. Seine Träume zerschlagen und geschändet!“ Verstanden habe er das nicht.

Für den Hinweis auf diese Augenzeugenaussage danke ich Uwe Schieferdecker, der das entsprechende Zeitzeugengespräch führte. Das Zitat stammt aus seinem Buch: Schieferdecker, Uwe: Treffpunkt Hauptbahnhof … unterm Strick. Einkauf „auf Nase“ bei Renner, 2. Aufl., Kassel 2007, S. 71.

Der Pogrom in Dresden und seine Chronologie (5): Die Zerstörung der Geschäfte (II)

Bislang ist – mit wenigen Ausnahmen – relativ wenig darüber bekannt, welche und wie viele Geschäfte konkret von den Angriffen während der Dresdner Pogromereignisse betroffen waren.

Viele zerstörte Geschäfte

Dass es einige Geschäfte in der Stadt gewesen sein müssen, macht ein kleiner Beitrag im ‚Dresdner Anzeiger‘ vom 12./13. November 1938 deutlich. Darin heißt es:

„In allen jüdischen Geschäften, deren Scheiben in der Nacht zum Donnerstag zertrümmert worden waren, sind nunmehr die Auslagen völlig ausgeräumt, so daß sie scheibenlos und leer daliegen; vielfach sind auch Bretterverschläge angebracht worden, hinter denen aber gleichfalls die Auslagen geräumt geblieben sind. Den Straßenpassanten wird dadurch erst jetzt deutlich, wie viele jüdische Geschäfte auch noch in unserer Stadt vorhanden waren. Diese Geschäfte wären natürlich längst verschwunden gewesen, wenn nicht immer noch Volksgenossen ihren Bedarf in solchen Läden gedeckt hätten.“

‚Deutsche, kauft nicht bei Juden!‘

Tatsächlich verfolgten die Pogrome in vielen sächsischen Orten auch das Ziel, die wirtschaftliche Verdrängung und damit die Ausgrenzung der Verfolgten zu verschärfen. Dabei griff man auf Altbekanntes zurück: Die Verwendung von Parolen und Losungen, die bereits anlässlich des ‚Boykotts‘ jüdischer Geschäfte im April 1933 zum Einsatz kamen, ist für viele Städte belegt.

Der Pogrom in Dresden und seine Chronologie (4): Die Zerstörung der Geschäfte (I)

Unklar ist bislang auch, wann genau die Angriffe auf die Geschäfte von als Juden verfolgten Menschen in der Elbestadt begannen. Auch hier bieten die vorliegenden Zeitungsartikel nur Hinweise.

‚Begreifliche Erregung‘ – Der Freiheitskampf

So heißt es am 11. November 1938 dazu in der Dresdner nationalsozialistischen Zeitung ‚Der Freiheitskampf’, dass „die begreifliche Erregung […] zu demonstrativen Aeußerungen [geführt habe]. Dabei gingen in der Nacht zum Donnerstag verschiedene Fensterscheiben jüdischer Geschäfte in der inneren Stadt in Trümmer.“

Die Dresdner Neuesten Nachrichten

Bereits am Vortag hatten die ‚Dresdner Neuesten Nachrichten‘ lapidar vermeldet: „Bei verschiedenen jüdischen Geschäften wurden die Fensterscheiben eingeschlagen.“ Der Korrespondent rechnete dieses Geschehen zu den „spontanen Kundgebungen“ gegen die Juden, die an mehreren Stellen in der Stadt stattgefunden hätten.

Vor allem in der Prager und Seestraße: Der Dresdner Anzeiger

Ebenfalls bereits am 10. November 1938 berichtete auch der ‚Dresdner Anzeiger‘ über die Angriffe auf die Geschäfte der Verfolgten. Darin heißt es, detaillierter als in den Berichten der anderen Zeitungen: „In der inneren Stadt, insbesondere in der Prager und Seestraße, waren am Morgen an den meisten jüdischen Geschäften die Fensterscheiben eingeschlagen.“ Dass gerade Prager und Seestraße betroffen waren, belegt unter anderem auch der Augenzeugenbericht des Malers Otto Griebel.

Es ist ein bedenkenswerter Zusammenhang, dass durch die Prager- und die Seestraße auch der antisemitische Protestzug lief und gerade dort dann die Schaufensterscheiben eingeschlagen waren. Konkrete Augenzeugenberichte zu den eigentlichen Zerstörungen kenne ich bislang lediglich ein oder zwei. Nur einige Aussagen von Personen, die dann am Folgetag die zerstörten Geschäfte sahen, liegen vor.

Der Pogrom in Dresden und seine Chronologie (3): Der Dresdner Anzeiger

Als dritte Dresdner Zeitung neben ‚Der Freiheitskampf‘ und den ‚Dresdner Neuesten Nachrichten‘ berichtete der ‚Dresdner Anzeiger‘ am 10. November 1938 über die Ereignisse am Vorabend. Auch hier finden sich mit den anderen Zeitungen weitgehend übereinstimmende Berichtteile, aber auch einige zusätzliche Details.

Die Uhrzeit der abendlichen Kundgebung

So heißt es:

„Das Bekanntwerden der Nachricht vom Tode des in Paris ermordeten Gesandtschaftsrates vom Rath in den Abendstunden löste auch in Dresden bei allen Volksgenossen gerechte Empörung aus und führte in der zehnten Abendstunde auf dem Rathausplatz zu einer spontanen Kundgebung […]“ (Dresdner Anzeiger, 309 (10.11.1938), S. 6).

Die Kundgebung vor dem Rathaus begann demnach also zwischen 21 und 22 Uhr. Die Nachricht vom Tode vom Raths muss also – zieht man den erforderlichen organisatorischen Vorlauf für die Demonstration mit in Betracht – schon verhältnismäßig früh in Dresden eingetroffen sein.

Ausführlich geht der mit „W. Schl.“ gezeichnete Artikel auch auf die antisemitischen Hetzreden Hinklers und Walters sowie den Protestmarsch durch die Innenstadt ein. Entscheidend ist aber, dass wir hier einen konkreten Anhaltspunkt für den Zeitpunkt der Kundgebung haben, die etwa im gleichen Zeitfenster wie Goebbels‘ Rede vor den Parteiführern in München stattgefunden haben soll.

Der Pogrom in Dresden und seine Chronologie (2): Die Dresdner Neuesten Nachrichten

Wie der ‚Freiheitskampf‘, so berichteten auch die ‚Dresdner Neuesten Nachrichten‘ von den Ereignissen am Abend des 9. November 1938:

„Während der Gedenkfeiern für die Toten der Bewegung in den einzelnen NSDAP.-Ortsgruppen wurde die Kunde vom Hinscheiden des Gesandtschaftsrates 1. Klasse, Pg. vom Rath, bekannt. Sie wurde der Partei- und Volksgenossen in den Versammlungssälen mitgeteilt. Nach den Totengedenkfeiern marschierten die Teilnehmer in geschlossenen Zügen zum Rathausplatz. Hier fand eine spontane Kundgebung gegen das Internationale Judentum statt. Kreisleiter Walter sprach zu Tausenden. […].

Zum Schluß forderte der Kreisleiter die Teilnehmer zu einem Protestmarsch durch die Stadt auf. Er ermahnte sie aber auch, Einzelaktionen zu unterlassen. Es gelte, in gewohntem diszipliniertem Einsatz dem Judentum die Entschlossenheit aller deutschen Volksgenossen zu zeigen.

Musik klang auf. Unter Vorantritt des Musikzugs des HJ.-Bannes 100 ging der Marsch der Tausenden über den Ring, durch die König-Johann-Straße zum Altmarkt und dann weiter durch die See- und Prager Straße zum Hauptbahnhof“ (Dresdner Neueste Nachrichten 263 (10.11.1938), S. 5).

Offene Chronologie

Auch die ‚Dresdner Neuesten Nachrichten‘ nahmen auf, dass die Todesnachricht vom Raths bereits in den Abendstunden des 9. November bekannt geworden sei. Ob es im Rahmen des ‚Protestmarschs‘ bereits zu Ausschreitungen kam, lässt die Zeitung jedoch ebenfalls offen. Dass auch die Hitlerjugend an den antisemitischen Aktionen beteiligt war, zeigt die Einbindung des HJ-Banns 100, über den ich bislang keine Informationen habe.

Der Pogrom in Dresden und seine Chronologie (1): Der Freiheitskampf

Was geschah wann am 9. und 10. November 1938 in Dresden? Während sich die Pogromereignisse vom Vormittag und Mittag des 10. November 1938 über Augenzeugenberichte und Fotografien vergleichsweise gut rekonstruieren lassen, bleibt die bisherige Forschung zum Abend des 9. und der Nacht zum 10. November eine präzise Untersuchung noch schuldig.

Die offizielle Darstellung

Nach der offiziellen Darstellung geschah nach dem Bekanntwerden des Todes von vom Rath in Paris das Folgende – so jedenfalls die nationalsozialistische Tageszeitung ‚Der Freiheitskampf‘:

„Als sich die Trauerkunde vom Tod des Gesandtschaftsrates Pg. vom Rath am Mittwochabend in der Stadt verbreitete, zogen Tausende von Volksgenossen zum Rathausplatz, um dort ihrem Abscheu und ihrer Empörung gegen diese neueste grauenvolle Schandtat eines jüdischen Mordbuben flammenden Ausdruck zu geben. Gleichzeitig gestaltete sich die Protestkundgebung, die sich in vollster Ordnung vollzog, aber auch zu einem glühenden Bekenntnis unverbrüchlicher Treue gegenüber dem heiligen Opfer der Toten des 9. November und aller Kameraden aus der Totenstandarte Horst Wessel, in deren Reihen nun auch unser Pg. vom Rath mitmarschiert“ (Der Freiheitskampf, 310 (10.11.1938), S. 9).

Nach einer antisemitischen Hetzreden des ehemaligen Halle-Merseburger Gauleiters Paul Hinkler habe der Dresdner NSDAP-Kreisleiter Hellmut Walter gesprochen. Dieser habe auch betont, dass der „Führer […] die geeigneten Maßnahmen treffen [werde] […]. Es gelte, Einzelaktionen zu unterlassen und in diszipliniertem Einsatz dem Judentum die Entschlossenheit aller Volksgenossen im Dritten Reiche vor Augen zu führen“ (ebd.)

Ein ‚Protestmarsch‘ durch die Stadt

Weiter berichtet ‚Der Freiheitskampf‘, dass sich den Ansprachen eine ‚Protestmarsch‘ angeschlossen habe:

„Es ging über die Ringstraße und den Pirnaischen Platz durch die König-Johann-Straße über den Altmarkt, die See- und Prager Straße zum Hauptbahnhof.

Getreu der Parole des Kreisleiters, jede Einzelaktion zu unterlassen, marschierten die Kolonnen in straffer, geschlossener Disziplin. Um so mehr machte sich die Empörung über die feige jüdische Mordtat von Paris durch immer wiederholte Rufe laut.

Es wurde das Verlangen laut, daß nun die Judenfrage ein für allemal und gründlich gelöst werde. Auch dort, wo sich somit die Judenschaft heute oft genug frech benimmt, ließ sich diesmal kein Vertreter des ‚auserwählten Volkes‘ blicken: Es war, als wenn sie das schlechte Gewissen samt und sonders in ihre schmierigen Schlupfwinkel getrieben hätte. Sie wissen nur zu gut, daß es in Deutschland nur noch eine Meinung gibt, wie sie das alte nationalsozialistische Kampflied geprägt hat: ‚Parole sie bleibet, die Juden hinaus!‘“ (ebd.).

Dass diese Zeilen des Blattes eindeutig von antisemitischer Hetze getragen waren, ist unübersehbar. Über den Brand der Dresdner Synagoge berichtete das Blatt am 10. November indes noch nicht. Die Grundfrage, die sich stellt, lautet: Waren die Kundgebung und vor allem der Protestmarsch vom Mittwochabend (09.11.1938) wirklich – abgesehen von lautstarkem Protest – so friedlich, dass es noch nicht zu gewaltsamen Übergriffen kam?

Fotos der abendlichen Kundgebung kenne ich bislang jedenfalls ebenso wenig, wie Augenzeugenberichte.

Ein Foto und seine Geschichte (13): Das Innere der Zittauer Synagoge am 10. November 1938

Neben der bereits erwähnten Aufnahme der Ruine der Zittauer Synagoge existieren noch mindestens drei weitere Fotografien, die die Synagogenruine zeigen.

Die Innenaufnahme – eine Fotografie während der Pogrome

Eine besondere Bildquelle bildete eine Innenaufnahme der Synagoge am 10. November 1938, auf der aufgeschichtetes Mobiliar zu erkennen ist. Vermutlich zeigt die Fotografie die Vorbereitung zur Inbrandsetzung des Gebäudes. Der Fotograf war hier vermutlich einer der Tatbeteiligten, hätte er doch sonst eine solche Aufnahme vermutlich kaum schießen können.

Die Aufnahmen findet sich in: JÜDISCHE GESCHICHTE & KULTUR AM BEISPIEL DER REGION ZITTAU. Handreichung für Lehrer der Hillerschen Villa, die online zur Verfügung steht (S. 13).