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Steinernes Gedenken (7): Ein Gedenktafel in Plauen

In Plauen, wo 1938 die nur wenige Jahre alte moderne Synagoge der Pogromgewalt zum Opfer gefallen war, wurde am 6. Mai 1988 eine Gedenktafel am ehemaligen Standort des Gotteshauses enthüllt. Anwesend waren unter anderem Hans Eisen und Detlef Zellner als Vertreter der Israelitischen Religionsgemeinde Leipzig und Siegmund Rotstein, der Präsident des Verbandes der Jüdischen Gemeinden in der DDR. Die Einladung erfolgte durch den Rat der Stadt Plauen.

Reden zur Enthüllung

Bei der Enthüllung sprachen sowohl Rotstein als auch der Plauener Oberbürgermeister Norbert Martin. Nach der Niederlegung von Blumen sprach Detlef Zellner das Kaddischgebet.

Es folgten Kranzniederlegungen auf dem Plauener Jüdischen Friedhof.

Fotografien zu den Gedenkveranstaltungen kamen im Nachrichtenblatt des Verbandes der Jüdischen Gemeinden in der DDR in der Septemberausgabe 1988 zum Abdruck (S. 39 f.)

Inschrift der Gedenktafel

IRGP
Hier stand die Synagoge
der Israelitischen
Religionsgemeinde
zu Plauen.
Geweiht am 6.4.1930,
Zerstört in der Nacht
Vom 9. zum 10.11.1938
Durch die Faschisten.

Steinernes Gedenken (6): Gedenktafeln in Leipzig

Neben dem Gedenkensemble an der Gottschedstraße erinnern in Leipzig weitere Gedenktafeln an den historischen Kontext der Novemberpogrome von 1938:

  • Gedenktafel Otto-Schill-Straße/Apels Garten, erinnert an die 1922 geweihte Ez-Chaim-Synagoge;
  • Gedenkstein Parthenstraße, erinnert an die Drangsalierung von als Juden verfolgten Menschen im Parthengraben;
  • Gedenktafel an der ehemaligen Volks- und Höhere Israelitische Schule (Gustav-Adolf-Straße 7, Carlebach-Schule), die während des Pogroms ebenfalls in Brand gesetzt wurde. Der Brand konnte allerdings gelöscht werden. Die von Gerd Nawroth entworfene Tafel wurde 1988 enthüllt;
  • Gedenktafel am ehemaligen Kaufhaus Bamberger & Hertz, Augustusplatz/Ecke Goethestraße, das während des Pogroms ausbrannte.

Literaturhinweis: Braun, Jens (Red.): Stätten des Gedenkens für Verfolgte und Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und für antifaschistische Widerstandskämpfer in und um Leipzig, Schkeuditz 2006.

Steinernes Gedenken (5): Leere Stühle in Leipzig

Die Gedenkstele von 1966 erschien nach der Wiedervereinigung vielen der in Leipzig für die Erinnerungsarbeit Verantwortlichen nicht mehr zeitgemäß. Schon 1994 hatte die Leipziger Stadtversammlung beschlossen, einen neuen Gedenkort zu schaffen. Nach Verhandlungen von Stadt und Israelitischer Religionsgemeinde wurde das Areal um die Stele herum ab 1999 umgestaltet.

Leere Stühle

Auf dem nachgezeichneten Grundriss der ehemaligen Synagoge symbolisieren 140 leere Stühle aus Bronze das, was mit dem Pogrom und der Schoa aus Leipzig herausgerissen wurde. Die von einer Mauer mit mehrsprachigen Gedenkworten und Informationen zur Geschichte der ehemaligen Synagoge umrahmte Anlage wurde von Anna Dilengite und Sebastian Helm gestaltet und am 24. Juni 2001 eingeweiht.

Steinernes Gedenken (4): Eine Gedenkstele in Leipzig

In Leipzig wurde bereits am 10. November 1966 ein Gedenkstein am Standort der ehemaligen Synagoge in der Gottschedstraße eingeweiht. Das ‚Nachrichtenblatt‘ der jüdischen Gemeinden in der DDR berichtete, dass das von Hans-Joachim Förster gestaltete Mahnmal an die 14.000 ermordeten jüdischen Bürger Leipzigs erinnere.

Inschrift

Die deutsche Inschrift des Steins lautet:

[Seite 1]
Gedenkt
Hier wurde am
November 1938
die grosse Synagoge
der Israelitischen
Religionsgemeinde
zu Leipzig durch
Brandstiftung
faschistischer
Horden zerstört
Vergesst es nicht

[Seite 2]
In der
Stadt Leipzig
fielen 14000
Bürger
jüdischen
Glaubens dem
faschistischen Terror
zum Opfer

Ergänzt werden die Inschriften durch eine hebräische Inschrift, die ebenfalls auf die 14.000 ermordeten Verfolgten aus Leipzig verweist.

Steinernes Gedenken (3): Eine Gedenkstele in Chemnitz

In Chemnitz wurde am 13. November 1988 im Rahmen der Feierlichkeiten um den 50. Jahrestag der Novemberpogrome am Stephansplatz, dem ehemaligen Standort der Chemnitzer Synagoge, eine Stele des Künstlers Volker Beier eingeweiht. Die Stele, aus Rochlitzer Porphyr, zeigt an ihrer Spitze die einstürzende Synagoge.

Ort der Erinnerung

Die Initiative für die Stele ging von Siegmund Rotstein, dem Vorsitzenden der kleinen Jüdischen Gemeinde in Chemnitz aus.

Neben einer hebräischen Inschrift (Du sollst nicht töten) trägt die Stele den folgenden deutschen Text:

An dieser Stelle
stand die im
Jahr 1899 von
Rabbiner
Dr. Mühlfelder
geweihte
Synagoge
Durch
faschistische
Brandstifter
wurde sie in der
Pogromnacht
am 9. November
1938 in Schutt und
Asche gelegt

Steinernes Gedenken (2): Eine Gedenktafel in Dresden

Neben der Gedenkstele am Hasenberg nimmt in der Dresdner Altstadt noch eine weitere Gedenktafel an der Kreuzkirche direkt Bezug auf die Pogrome, bettet diese aber insgesamt in den Kontext der Schoa ein. Die 1988 geweihte, von dem Grafiker Martin Hänisch entworfene Tafel entstand auf Initiative des christlich-jüdischen Arbeitskreises „Begegnung mit dem Judentum“.

Kirchliches Schuldeingeständnis

Sie steht für die christliche Anerkennung von Schuld und die Scham darüber, dass man die Vertreibung, Deportation und Ermordung von Juden in Dresden zwischen 1933 und 1945 zugelassen hatte. Die Tafel ist zugleich ein Beleg für die neue Intensität des christlich-jüdischen Dialogs und die zivilgesellschaftliche Erinnerungskultur, die sich in den 1980er-Jahren vertieften.

Inschrift

In Scham und Trauer
gedenken Christen
der jüdischen Bürger dieser Stadt
1933 lebten in Dresden 4675 Juden
1945 waren es 70
Wir schwiegen
als ihre Gotteshäuser
verbrannt, als Juden
entrechtet, vertrieben
und ermordet wurden
wir erkannten in ihnen
unsere Brüder und Schwestern nicht
Wir bitten
um Vergebung und Schalom
November 1988

Steinernes Gedenken (1): Eine Gedenkstele in Dresden

Zu den ersten Gedenkorten im öffentlichen Raum, die explizit an die ehemaligen Standorte der 1938 zerstörten Synagogen und die sächsischen Novemberpogrome erinnern, gehört die Dresdner Gedenkstele am Hasenberg.

Stelengedenken

Im Rahmen der Feierlichkeiten zum 30. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus wurde die Stele am 22. April 1975 durch den Dresdner Oberbürgermeister Gerhard Schill eingeweiht. Sie war auf Kosten der Stadt durch den Bildhauer Friedemann Döhner hergestellt und am Hasenberg, einige Meter vom ursprünglichen Standort der Dresdner Sempersynagoge aufgestellt worden.

Die Stele war fortan Ort des Gedenkens für die Opfer des Faschismus wie der Pogrome und des Holocaust im Speziellen. In den Folgejahren etablierten sich feste Zeremoniale von Blumen- und Kranzniederlegungen. Bis heute ist die Stele der Ort, an dem am 9. November im Zusammenspiel von Jüdischer Gemeinde, Stadt und politisch-gesellschaftlichen Repräsentanten das Pogromgedenken mit Kranzniederlegung und Totengebet seinen Höhepunkt findet.

Inschrift

Der Gedenkstein, der die Form einer Menora hat, trägt folgende Inschrift:

Zur ewigen Mahnung
an die Opfer des Faschismus
Hier stand die
1838-1840 von
Gottfried Semper erbaute
durch Oberrabbiner
Dr. Zacharias Frankel
geweihte und
am 9. November 1938
von den Faschisten zerstörte Synagoge
der Israelitischen
Religionsgemeinde zu Dresden.

 

Die internationale Wahrnehmung der Pogrome (4): Die britischen Diplomaten

Anfang 1933 unterstanden der britischen Botschaft in Berlin 17 Konsulate, darunter das Konsulat in Leipzig mit Vizekonsulaten in Dresden und Chemnitz. Die Berichte der britischen Diplomaten kennzeichnen 1938 die sich anbahnende Kriegsgefahr und dadurch ausgelöste internationale Krise. Auch die sich verschärfende Judenverfolgung geriet in den Blick.

Die Novemberpogrome in ihren Facetten gehören wohl zu den am besten dokumentiertes Ereignissen der britischen Diplomatie. Inwiefern auch die in Sachsen stationierten Vertreter der Inselstaats detailliert über die hiesigen Pogrome berichteten, bleibt in jedem Fall eine Zielstellung für weitere Forschungsarbeiten.

Siehe hierzu: Michels, Eckard: „If War Comes I Presume There Will Be Few Pro-Germans in the British Isles, But There Will Be Vast Numbers of Pro-British-Germans“. Die Berichterstattung britischer Konsulate aus dem „Dritten Reich“ 1933-1939, in: Bajohr, Frank; Strupp, Christoph (Hg.): Fremde Blicke auf das „Dritte Reich“. Berichte ausländischer Diplomaten über Herrschaft und Gesellschaft in Deutschland 1933 – 1945, Göttingen 2011, S. 38–70.

Die internationale Wahrnehmung der Pogrome (3) Die costa-ricanischen Konsuln

Während der polnische und der amerikanische Konsul von den nationalsozialistischen Judenverfolgungen berichteten, fehlten diese in den Berichten anderer Diplomaten. Die costa-ricanischen Konsuln in Dresden und Leipzig etwa, erwähnten die Pogrome mit keinem Wort.

Lediglich dort, wo es um Fragen der Einwanderungspolitik ging, sei auch die Judenverfolgung thematisiert worden. Ansonsten hätten sich die Berichte nicht selten wie Wiedergaben der nationalsozialistischen Propaganda gelesen.

Dazu ausführlich: Mora, Dennis Arias; Berth, Christiane: Die Berichterstattung der costaricanischen Konsuln. Politische Zurückhaltung, Dominanz wirtschaftlicher Fragen und restriktive Einwanderungspolitik, in: Bajohr, Frank; Strupp, Christoph (Hg.): Fremde Blicke auf das „Dritte Reich“. Berichte ausländischer Diplomaten über Herrschaft und Gesellschaft in Deutschland 1933 – 1945, Göttingen 2011, 266–286.

Die internationale Wahrnehmung der Pogromereignisse (2): Der polnische Konsul

Wie sein amerikanischer Kollege wurde auch der Leipziger polnische Generalkonsul Feliks Chiczewski Zeuge der Pogromgewalt in der Messestadt, über die er an die polnische Botschaft am 12. und 17. November 1938 berichtete.

Öffnung des Konsulats

Mehr noch: Chiczewski öffnete, wie schon während der sogenannten ‚Polen-Aktion‘ das Konsulat in der Wächterstraße für die als Juden Verfolgten. Nach eigenen Angaben hätten dabei erneut etwa 1.000 Menschen auf dem Konsulatsgelände Schutz erhalten.

Der Bericht des Augenzeugen

Über die Flucht ins Konsulat berichtete auch Alfred Malecki. Er erinnerte sich später an die Begebenheiten: „Als die Taxe mich ans Konsulat brachte, stand eine Menge von Nazis vor dem Tor, um zu verhüten, dass Menschen dort Schutz suchen. Dank des polnischen Konsuls, der sich wohl beim Polizeipräsidenten beschwerte, kam gerade ein Überfallkommando mit Polizisten, welche die Nazis zur Seite schoben und so mir und anderen, welche auch Schutz suchten, halfen. Das Gebäude des Konsulat und der Garten war überfüllt mit Juden bis gegen 4 Uhr nachmittags, als der Konsul vom Balkon zu uns sprach und uns erklärte, dass er vom Polizeipräsidenten die Versicherung bekam, dass alle polnischen Juden nichts zu befürchten hätten und ruhig nach Hause gehen könnten“ (zit. nach Tomaszewski, Jerzy: Auftakt zur Vernichtung. Die Vertreibung polnischer Juden aus Deutschland im Jahre 1938, Osnabrück 2002, S. 226 f.).