Die ab dem 10. November 1938 in die Konzentrationslager verschleppten, als Juden verfolgten Männer wurden bis Ende 1938 größtenteils wieder freigelassen. Ihre späteren Berichte sind von den Erfahrungen der Lagerhaft dominiert. Immer wieder finden sich aber auch Hinweise darauf, wie die Entlassungen erfolgten.
Ein Monat in Buchenwald
Exemplarisch steht dafür ein Bericht des 1891 geborenen Kaufmanns Karl E. Schwabe dar, der aus Hanau stammte. Schwabe wurde am 10. November 1938 festgenommen und ins Konzentrationslager Buchenwald verschleppt. Nach seiner Entlassung am 10. Dezember 1938 gelang ihm im April 1939 die Emigration. Im Rahmen des 1939 ausgelobten Preisausschreibens von Wissenschaftlern der Havard University um Edward Y. Hartshorne, schrieb Schwabe seine Erlebnisse nieder (auszugsweise abgedruckt: Schwabe, Karl E.: Manuskript 202 (207), in: Gerhardt, Uta; Karlauf, Thomas (Hg.): Nie mehr zurück in dieses Land. Augenzeugen berichten über die Novemberpogrome 1938, Berlin 2009, S. 137–156).
Interessant ist Schwabes Bericht vor allem auch deshalb, weil er sehr detailliert die Entlassung aus dem Konzentrationslager schildert, die sich mit vielen anderen Erlebnisberichten decken – auch von aus Sachsen in das Lager verschleppten Verfolgten.
Schweigeerklärung und ‚Friseurbesuch‘
Nachdem er zur Freilassung aufgerufen worden sei, habe man ihn – so Schwabe – zunächst ärztlich untersucht. Im Falle von sichtbaren Misshandlungsspuren hätte eine Freilassung nicht stattgefunden. Er habe dann verschiedene Papiere auf der Schreibstube unterzeichnen müssen, darunter auch eine Schweigeerklärung und ein Dokument, in dem er bescheinigte, gut behandelt worden zu sein. Anschließend seien beim ‚Frisör‘ nochmals Haare und Bart geschoren wurden. Im ‚Postbüro‘, so Schwabe weiter, habe er dann von den 60 Reichsmark, die seine Frau ihm übersendet habe, 17 Reichsmark ausgezahlt erhalten. Der Rest sei einbehalten wurden, um angeblich mittellosen Gefangenen zuzukommen.
In der Kommandantur hätten die zur Freilassung Bestimmten dann mit Bürsten versucht, ihre zerschlissene Kleidung notdürftig zu reinigen. Vor der Abfahrt mit Bussen nach Weimar habe es dann noch eine Ansprache gegeben (vgl. ebd. S. 148 f.).
Jüdische Unterstützung der Entlassenen
Auf dem Bahnhof in Weimar habe man den Entlassenen dann nicht nur Fahrkarten für die Heimreise besorgt, sondern – und diesem Aspekt lohnt es sich, noch einmal genauer nachzugehen – sie hätten von jüdischen Frauen auch Kaffee und weiße Brötchen erhalten. Anschließend konnten sie mit Zügen endlich in Richtung ihrer Heimatorte fahren können – freilich mit der Auflage, sich dort polizeilich zu melden (vgl. ebd., S. 149).
Schwabes Bericht steht exemplarisch für die Erlebnisse vieler, auch der aus Sachsen in Buchenwald festgehaltenen Verfolgten, die mit geschorenem Kopf auch in den Folgewochen in ihren jeweiligen Heimatorten ein Zeichen der Stigmatisierung behielten. Schwabe starb 1967 in den USA.