Category: Bruchstücke 1938|2018

Briefmarken (1) – Das Gedenken an die Novemberpogrome in der DDR (1963)

In der DDR erschienen 1963 und 1988 zwei Briefmarken, die dem 25-jährigen und 50-jährigen Gedenken an die Novemberpogrome gewidmet waren. In ihrer bildlichen und textuellen Gestaltung erlauben sie Einblicke in die zeitgenössischen Begrifflichkeiten und Schwerpunkte der Pogromerinnerung.

Die 10-Pfennig-Briefmarke von 1963

Der Entwurf der DDR-Briefmarke von 1963 stammt von Karl Sauer und Horst Naumann. Ausgegeben wurde die Marke am 8. November 1963. Insgesamt wurden fünf Millionen Stück gedruckt.

Motive und Begriffe

Textuell nutzt die Marke noch den Begriff „Kristallnacht“, die sich „niemals wieder“ ereignen dürfe. Zu erkennen sind eine brennende Synagoge und ein gelber, von einer schwarzen Kette umfangener „Judenstern“. Der Stern als Symbol der Verfolgung wurde allerdings erst 1941 eingeführt. Die Briefmarke stilisiert hier also gewissermaßen eine Kontinuität von den Pogromereignissen hin zur Schoa.

Keine Zwangsläufigkeit hin zur Schoa

Doch auch, wenn radikale Antisemiten eine physische Lösung der „Judenfrage“ in Betracht zogen, war die massenhafte, fabrikmäßige Tötung von Männern, Frauen und Kindern Ende 1938 bei aller Gewalt und den mit den Pogromen einhergehenden Mordfällen noch nicht absehbar. Vielmehr zielten die Maßnahmen wie auch die Pogrome nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich im März des Jahres vor allem darauf ab, die „Arisierung“ von Geschäften wie Unternehmen voranzutreiben und die Auswanderung von als ‚Juden‘ verfolgten Menschen zu forcieren.

Bildquelle: Wikimedia Commons.

Proteste gegen ‚jüdische‘ Firmeninhaber (2): Die Firma Rheostat in Dresden

Auch in Dresden ist ein organisierter antisemitischer Protest in einer Firma am 10. November 1938 belegt: Betroffen war das Unternehmen Rheostat in der Großenhainer Straße im Norden der Stadt.

Ein nationalsozialistisch gelenkter Zeitungsbericht

Die Dresdner NS-Tageszeitung Der Freiheitskampf publizierte in ihren Berichten über die Dresdner Pogromereignisse auch den folgenden kleinen Abschnitt:

„Die Geduld der Arbeitskameraden des Betriebes ‚Rheostat‘ in der Neustadt war am Donnerstagmorgen ebenfalls endgültig erschöpft. Sie forderten auf dem Fabrikhof die sofortige Entfernung der jüdischen Inhaber des Betriebes. Diese berechtigte Forderung wurde erfüllt. Die Juden wurden aus dem Betrieb gewiesen und einer der jüdischen Inhaber namens Kussi in Schutzhaft genommen“ (Nr. 311 (11.11.1938)).

Der Artikel, der in der Sprachwahl den Vorgaben der nationalsozialistischen Presselenkung entsprach, belegt nichts weniger, als die gewaltsame Entfernung und Inhaftierung der als ‚Juden‘ verfolgten Firmeninhaber. Frank Werner Kussi (später: Kussy, 1910-2010) wurde verhaftet; er floh nach seiner Freilassung 1939 in die Niederlande. Er und weitere Mitglieder seiner Familie wurden dort 1942 von den Deutschen aufgegriffen. Von diesen erlebte allein Frank Werner Kussi nach der Inhaftierung in verschiedenen anderen Konzentrationslagern in einem Nebenlager von Auschwitz das Kriegsende. Sein Bruder, der Direktor der Firma Rheostat, Fritz Viktor Kussi, kam 1945 in Auschwitz um.

Proteste gegen ‚jüdische‘ Firmeninhaber (1): Die Filzfabrik S. Valentin in Georgewitz

Es gibt mehrere Beispiele, dass auch innerhalb von Firmen, die sich im Besitz von als ‚Juden‘ verfolgten Menschen befanden, antisemitischer Protest organisiert wurde. Wer hierfür jeweils die Verantwortung hatte, ob einzelne, ‚glühende‘ Nationalsozialisten, die Nationalsozialistischen Betriebszellenorganisationen (NSBO) oder Personen von außerhalb, ist noch genauer zu untersuchen.

Die Firma S. Valentin in Georgewitz bei Löbau

In Georgewitz, das heute nach Löbau eingemeindet ist, kam es am 10. November 1938 zu antisemitischen Protesten. Vor der Filzfabrik S. Valentin, so berichtet es die Zeitung Sächsischer Postillion (Nr. 264 (11.11.1938)) sei eine Demonstration abgehalten worden. Dabei sei der Belegschaft erklärt worden, wie das Pariser Attentat auf den Gesandtschaftsrat Ernst vom Rath zu deuten sei. Und der Zeitungsartikel hob auch hervor, dass die Kundgebung nicht missverstanden werden solle – eine deutliche Drohung gegen die als ‚Juden‘ Verfolgten, die sich keineswegs mehr sicher fühlen sollten.

Beierfeld – Die Pogromgewalt und die Reaktion der Einwohnerschaft

Im erzgebirgischen Beierfeld traf die Pogromgewalt die Familie Hutzler, deren Mitglieder als ‚Juden‘ verfolgt waren.

Die Zerstörung der Wohnung von Ignatz Hutzler (1876-1970)

In einer Abhandlung zur Beierfelder Industriegeschichte heißt es dazu:

„Auch die Wohnung des Firmeninhabers Ignatz Hutzler wurde durch junge SS- und SA-Leute zerstört. Die Polizei griff nicht ein. Die Familie war zufällig auf Reisen. In der Beierfelder Kirchenchronik ist vermerkt, dass ein großer Teil der Bevölkerung über dieses Verhalten empört war, aber am Eingreifen von den SS- und SA-Schlägertrupps unter Androhung von Gewalt zurückgehalten wurde. Die Familie Ignatz Hutzler war jahrzehntelang in Beierfeld ansässig und wegen ihres ruhigen und anständigen Verhaltens und wegen ihrer Spendenbereitschaft insbesondere für die ärmeren Schichten der Bevölkerung allgemein geschätzt.“

(entnommen aus: Brandenburg, Thomas (Bearb.): Beierfelder Industriegeschichte – Teil III. Metallwarenfabrikation, Aue 2008, S.59).

Die Reaktion der Bevölkerung

Der Vermerk in der Kirchenchronik, dass ein großer Teil der Bevölkerung nicht mit dem Angriff auf das Eigentum der Hutzlers einverstanden gewesen sei, ist ein interessanter Befund: Gerade in den kleineren Orten, wo sich die Menschen mehr oder weniger gut kannten, finden sich immer wieder Hinweise auf entsprechende Unmuts- oder sogar Solidaritätsbekundungen.

Offen bleibt für Beierfeld die Frage, ob die genannten Schlägertrupps aus Beierfeld selbst oder anderen Orten stammten. In Sachsen jedenfalls sind mehrere Fälle dokumentiert, wo ortsfremde, den dortigen Verfolgten also weniger verbundene und auch den Ortsansässigen wenig bekannte Personen die Pogromgewalt ausübten.

Nachzulesen ist die Geschichte zum Pogrom in Beierfeld auch im amtlichen Spiegelwaldboten vom November 2011 (Nr. 22 (23.11.2011), S. 16-18).

Die Firma Ignatz Hutzler und Pretsfelder

Ignatz Hutzlers Beierfelder Metallwarenfirma wurde „arisiert“ und zunächst unter Zwangsverwaltung gestellt; auch seine privaten Grundstücke musste er verkaufen (vgl. Sächsisches Staatsarchiv, 30049 Amtshauptmannschaft Schwarzenberg, Nr. 10077: Verkauf des jüdischen landwirtschaftlichen Grundbesitzes des Ignatz Hutzler, Beierfeld, 1941). 1940/41 wanderte er mit seiner Frau Minna Sara nach Südamerika aus. Erst 1994 erfolgte auf Beschluss des Landratsamts Aue-Schwarzenberg die Restitution der Grundstücke und Gebäude an die Familie.

Einige Hinweise zur Geschichte und Genealogie der Familie Hutzler bietet eine Sammlung im Leo Baeck Institute in New York, die online zur Verfügung gestellt ist.

Verhaftungen in Görlitz – Transport ins Konzentrationslager Sachsenhausen

Auch in Görlitz kam es während der Pogromereignisse zu Verhaftungen: 32 Personen wurden hier festgenommen, von denen 24 sofort ins Konzentrationslager Sachsenhausen verbracht wurden.

Die in Görlitz Verhafteten

Zu den in Sachsenhausen Internierten zählten angesehene Görlitzer Bürger, darunter der Fell- und Häutekaufmann Arthur Hiller, der Lampenhändler Salomon Freundlich, der Viehhändler Georg Schlesinger, der Häute- und Darmhändler Robert Schaye und Alfred Kunz. Auch der Kaufmann Reinhard Fränkel erinnerte sich 1958, dass er zur Rettung der Görlitzer Synagoge, in der ebenfalls Feuer gelegt, dieses jedoch gelöscht worden war, gerufen worden sei. Man habe ihn dort jedoch sofort verhaftet und nach Sachsenhausen überstellt.

Die Informationen zu den in Görlitz Verhafteten sind entnommen aus: Otto, Roland: Die Görlitzer Juden unter der NS-Diktatur 1933-1945, in: Bauer, Markus; Hoche, Siegfried (Hg.): Die Juden von Görlitz. Beiträge zur jüdischen Geschichte der Stadt Görlitz, Görlitz 2013, S. 123–152, hier: S. 141 f.; Suckert, Uli: Görlitz unterm Hakenkreuz 1933 bis 1945. Topographie einer Diktatur, der Verfolgung und des Widerstands, Dresden 2010, S. 21.

Konzentrationslager Sachsenhausen – Herszel Grynszpan als ‚Sonderhäftling‘

Ab Januar 1941 gehörte auch der Pariser Attentäter Herszel Grynszpan zu den in Sachsenhausen Inhaftierten. Als privilegierter ‚Sonderhäftling‘ wartete er dort auf seinen Prozess vor dem Volksgerichtshof. Wegen Aussagen zu einem vorgeblich homosexuellen Hintergrund der Tat kam es nicht zum Prozess. Vermutlich wurde Grynszpan in Sachsenhausen hingerichtet; gleichwohl gibt es auch Mutmaßungen, dass er möglicherweise den Krieg überlebt haben könnte.

Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen erinnern heute an die Zeit des nationalsozialistischen Konzentrationslagers (1936-1945) und das Sowjetische Speziallager Nr. 7 (1945-1950).

„Schutzhaft“ und Verbringung in Konzentrationslager (2)

Infolge von Misshandlungen, körperlicher wie seelischer Überlastung und gesundheitlichen Gebrechen kamen mehrere der im Zuge der Pogrome im November 1938 in Buchenwald internierten Männer um.

Die Opfer des Pogromsonderlagers Buchenwald aus Sachsen – persönliche Schicksale

Die nachfolgende Aufstellung der Toten des Pogromsonderlagers nennt Namen, Herkunftsort, Lebensdaten und Beruf:

  • Conrad, Max, Chemnitz, 08.05.1878-27.11.1938, Kaufmann
  • Grünberg, Schloma Salman, Chemnitz, 07.10.1877-15.11.1938, kaufmännischer Angestellter
  • Joel, Dr. Manuel, Leipzig, 07.02.1896-24.12.1938, Lehrer
  • Krause, Julius, Leipzig, 07.03.1882-16.11.1938, Kaufmann
  • Lennhoff, Karl, Leipzig, 12.08.1881-27.11.1938, Angestellter
  • Lewy, Hans Hermann, Leipzig, 03.10.1918-04.01.1939, unbekannt
  • Muscatblatt, Arnold, Leipzig-Reudnitz, 28.09.1889-23.11.1938, Elektriker
  • Schindler, Max, Chemnitz, 29.09.1880-02.12.1938, Schauspieler
  • Selz, Leopold Erich, Leipzig, 15.10.1912-25.12.1938, unbekannt
  • Strauß, Nathan, Leipzig, 25.02.1881-07.12.1938, Kaufmann
  • Thorn, David, Aue/Sachsen, 27.12.1865-30.11.1938, Kaufmann
  • Tuch, Richard, Dresden, 19.09.1891-19.01.1939, Kaufmann
  • Weg, Franz Georg, Leipzig, 02.04.1891-11.12.1938, Buchhändler
  • Wittner, Alfred Bernhard, Leipzig, 21.07.1884-28.11.1938, Kaufmann

Die vorstehenden Namen und Angaben sind abgedruckt in: Stein, Harry: Juden im Konzentrationslager Buchenwald 1938-1942, in: Hofmann, Thomas; Loewy, Hanno; Stein, Harry (Hg.): Pogromnacht und Holocaust. Frankfurt, Weimar, Buchenwald …, Weimar/Köln/Wien 1994, S. 81–171, hier: S. 119-125).

„Schutzhaft“ und Verbringung in Konzentrationslager (1)

Mit den Pogromen einher ging die Anweisung, im gesamten Deutschen Reich bis zu 30.000 jüdische Männer in „Schutzhaft“ zu nehmen und in die Konzentrationslager Buchenwald, Sachsenhausen und Dachau zu überstellen. Dies traf auch die in Sachsen als ‚Juden‘ verfolgten Menschen, die – sofern sie nicht schon in den Großstädten lebten – zunächst in Polizeihaft genommen und dann gesammelt in die Lager transportiert wurden.

Überstellung ins Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar

Die Mehrzahl der in Sachsen verhafteten Verfolgten wurde ins Konzentrationslager Buchenwald, ins sogenannte „Pogromsonderlager“ transportiert. Die Eingangslisten geben einen Überblick über die aus den Großstädten einschließlich des jeweiligen Umlands Verhafteten und ins Lager überstellten Menschen. Diese waren dort Erniedrigung und Gewalt ausgesetzt; nicht selten verließen sie Buchenwald körperlich und seelisch verletzt.

Die Stärkemeldungen des Konzentrationslagers Buchenwald

(abgedruckt in: Bräu, Ramona; Wenzel, Thomas (Hg.): „ausgebrannt, ausgeplündert, ausgestoßen“. Die Pogrome gegen die jüdischen Bürger Thüringens im November 1938, Erfurt 2008, S. 103-107; Quelle: BwA, Nummernbuch der Judenaktion vom Nov. 1938, NARA Washington RG 242 Film 18b)

Eintrag 10.11.1938: Stärke 09.11.1938: 9.842 Mann, außerdem 851 Juden, davon u. a. in Transporten eingeliefert:

  • aus Chemnitz: 40
  • aus Chemnitz: 17
  • aus Chemnitz: 15 (S. 103)

Eintrag 10.11.1938, abends: 10.733 Mann

Zugänge 3.275 Juden, davon:

  • aus Dresden: 66
  • aus Chemnitz: 99
  • aus Leipzig: 151 (S. 104)

Eintrag 11.11.1938, abends: 13.992 Mann

Zugänge: 4.674 Juden, davon:

  • aus Leipzig: 119 (S. 105)

12.11.1938, abends: 18.660 Mann

Zugänge: 1.019 Juden, davon:

  • aus Plauen: 47
  • aus Zwickau: 38
  • aus Dresden: 85 (S. 106)

Zusammen wurden aus Dresden und Umgebung somit 151, aus Chemnitz und Umgebung 171, aus Leipzig und Umgebung 270 sowie aus Plauen und Umgebung 47 als ‚Juden‘ Verfolgte nach Buchenwald überstellt.

Die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora erinnert heute an das Konzentrationslager (1937-1945) sowie das Sowjetische Speziallager Nr. 2 (1945-1950).

Frieda Freise (1886-1938) – eine Ärztin und die zweifache Pogromerfahrung

Zu den Menschen, die als ‚Juden‘ verfolgt wurden, gehörte auch die Chemnitzer Stadtschulärztin Frieda Freise (1886–1938). Bereits in Weißrussland soll sie Zeugin von Pogromen gewesen sein. Sie studierte dann Medizin, ehe sie in Leipzig, Stollberg – hier ließ sie sich 1924 taufen – und Chemnitz wirkte.

Zunehmende Ausgrenzung in der Zeit des Nationalsozialismus

Nach 1933 sah sie sich zunehmenden Repressalien, 1937 gar einer regelrechten Verleumdungskampagne ausgesetzt. Schließlich verlor sie 1938 ihre Approbation. Sie ging nach Bayern, wo sie im November 1938 die Pogrome erlebte – in einem Land, dass sie und viele der anderen Verfolgten lange als Hort der Rechtsstaatlichkeit und des persönlichen Schutzes betrachtet hatten. Und sie war nicht darum verlegen, einen für sie naheliegenden Bezug zu den russischen Pogromen ziehen, wenn sie die Gewalt noch kurz vor ihrem Tod mit den folgenden Worten kommentierte: „Die Nazis sind auch nicht besser als die Bolschewiken“.

 

Die Angaben und das Zitat zu Frieda Freise sind entnommen aus: Nitsche, Jürgen: Die Stadtschulärztin Dr. Frieda Freise (1886-1938) und die „Chemnitzer Mütterschule“. Eine Medizinerin mit jüdischen Wurzeln, in: Heidel, Caris-Petra (Hg.): Die Frau im Judentum. Jüdische Frauen in der Medizin, Frankfurt am Main 2014, S. 143–165.

Sally und Rosa Teitelbaum in Muskau: Flucht in den Tod

In Muskau verwüsteten in der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 SA-Männer die Wohnung des Ehepaars Sally und Rosa Teitelbaum.

Die Teitelbaums in Weißwasser und Muskau

Der 1876 geborene Teitelbaum und seine zwei Jahre jüngere Frau betrieben nach dem Ersten Weltkrieg zunächst ein Kaufhaus in Weißwasser. 1930 ließen sie sich dann in Muskau auf dem Grünen Weg 2 nieder.

Nur noch ein Ausweg – Selbsttötung

Nach der Pogromgewalt sahen sie am 10. November 1938 keinen anderen Ausweg, als sich selbst das Leben zu nehmen – wie hunderte weitere Verfolgte im ganzen Deutschen Reich: Nachdem sie noch Scherben zusammengekehrt haben sollen, erhängten sie sich an einem Fensterkreuz. Ihre Leichen wurden zunächst auf dem Gelände der Friedhofsgärtnerei verscharrt; erst nach Kriegsende erhielten sie eine würdige Grabstelle. Im Herbst 1975 ließ die Muskauer Stadtverwaltung eine Gedenktafel für die Teitelbaums anbringen.

Die Angaben sind entnommen aus: Schubert, Werner: Beiträge zur Geschichte der Juden in Weißwasser. Eine bedeutsame Episode zwischen 1881 und 1945, Weißwasser in der Oberlausitz 2014, bes. S. 219, 222, 248, 254.

Novemberpogrom – Ein Begriff und seine Geschichte

Aufgrund der euphemistischen Bildsprache des Begriffs „Reichskristallnacht“, greifen Forschung und Erinnerungskultur heute in der Regel auf den Terminus „Pogrom“ in seinen verschiedenen Varianten („Pogromnacht“; „Novemberpogrom“) zurück.

Pogrom heißt Zerstörung

Der Begriff „Pogrom“ geht auf das russische Verb „pogromit“ zurück, was so viel bedeutet wie „verwüsten“, „zerstören“ (wörtlich: nach dem Donner „po gromit“; siehe auch das HATiKVA-Projekt „Pogrom heißt Zerstörung„). Der Begriff kam in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf. Die damit umschriebenen gewalttätigen und mörderischen Verfolgungen in einzelnen Orten und Regionen des östlichen Europa zwischen 1881 und 1921 – vor allem in den Jahren 1881-1884, 1903-1906 und 1917-1921 – richteten sich in erster Linie gegen Juden. Diesen wurde etwa Christus- oder Ritualmord und Spionage vorgeworfen oder deren wirtschaftliche Stellung nicht akzeptiert (vgl. Karte der Pogrome im sogenannten Ansiedlungsrayon bis 1906).

Verbreitung nach Westeuropa

Den Pogromen im Russischen Reich fielen tausende Menschen und jüdische Kultuseinrichtungen zum Opfer. Über die Presse, Literatur und Dokumentationen jüdischer Organisationen gelangte der Begriff nach Westeuropa. Von den Ereignissen betroffene oder bedrohte Juden migrierten in der Folge vielfach nach Westen und insbesondere auch nach Sachsen.

Sofern sie nicht weiter wanderten oder bis Herbst 1938 emigriert waren, sahen sie beziehungsweise ihre Nachfahren sich dann nicht selten von Verhaftungen, der „Polenaktion“ und schließlich auch von den Novemberpogromen betroffen.