Category: Bruchstücke 1938|2018

Die Quellen (1): Zeitzeugenberichte

Eine wichtige Quelle für jeden, der sich mit den Novemberpogromen (oder anderen historischen Ereignisse) auseinandersetzen möchte, sind die Aussagen von Zeitzeugen. Deren Selbstzeugnisse erlauben, die öffentliche Überlieferung in Archiven und Bibliotheken durch den persönlichen Blick wie die individuelle Wahrnehmung zu bestätigen, zu ergänzen oder in Frage zu stellen.

Die Perspektive der Augenzeugen: Die Verfolgten

Die von der Gewalt Betroffenen, Zuschauer und Tatbeteiligten erlebten die Ereignisse dabei aus jeweils unterschiedlichen Perspektiven. Die als ‚Juden‘ Verfolgten schrieben nicht selten kurz nach den Ereignissen oder auch erst im Alter ihre Erlebnisse nieder, um diese in der Erinnerung präsent zu halten, das erlebte Grauen zu dokumentieren oder zu verarbeiten. Institutionen, wie die Wiener Library, das Leo Baeck Institute und Yad Vashem, sammelten solche Berichte systematisch und stellten sie der Forschung zur Verfügung.

Die Täter

Täter hingegen kamen vielfach, wenn überhaupt, erst in den nach Kriegsende erfolgenden gerichtlichen Untersuchungen zu den Pogromen zu Wort. Ihre Prozess- und Vernehmungsaussagen schilderten dann in erster Linie ihre Sicht der Dinge und Verantwortung angesichts drohender Bestrafung.

Teilweise sind ihre Tatbekenntnisse auch von Dritten überliefert, wenn sie sich etwa vor anderen ihrer Beteiligung an den Pogromen gebrüstet hatten.

Oft blieb aber auch das Schweigen. Viele Täter wurden nicht zur Verantwortung gezogen oder konnten aufgrund verstrichener Verjährungsfristen nicht mehr gerichtlich belangt werden. Nicht selten lebten sie weiter in jenen Orten, in denen sie an Pogromen beteiligt waren.

Die Zuschauer

Berichte und Fotografien belegen, dass die Pogromhandlungen zumindest am 10. November in der Regel zahlreiche Zuschauer anzogen. Diese verfolgten die Ereignisse mit unterschiedlichen Gefühlen – von offener Zustimmung bis hin zur Ablehnung. Ihre Berichte fanden ebenfalls in autobiografische Schriften oder auch in Leserbriefe an Zeitungen Eingang, vor allem in den letzten drei Jahrzehnten – in einer Phase also, in der die Novemberpogrome auch in Sachsen stärker in den Fokus der öffentlichen Erinnerung gerückt waren.

Quellenkritik

Bei allen Berichten (wie auch den sonstigen Quellen) ist es wichtig, sie in ihren Kontext und ihre Entstehungszeit zu stellen. So spiegeln etwa nicht alle Erinnerungen die historischen Tatsachen oder den Ablauf der Ereignisse korrekt wider oder weisen Ungenauigkeiten auf, die in den Blick genommen werden müssen. Um ein annähernd genaues Bild der Pogromereignisse vor Ort zu erhalten, gilt es deshalb, die verfügbaren Zeitzeugenaussagen mit amtlichen Quellen, Zeitungsberichten, den Fotografien und natürlich auch der bereits vorhandenen Forschungsliteratur abzugleichen.

Pogrom|Gewalt (2): Die „Sudetenkrise“ im Spätsommer 1938

Um frei von den Entwicklungen in Mitteleuropa berichten zu können, ging der Journalist George Eric Rowe Gedye nach dem ‚Anschluss‘ Österreichs im März 1938 nach Prag.

Die ‚Sudetenkrise‘

In der Tschechoslowakei wurde Gedye Zeuge der Ereignisse der vom nationalsozialistischen Deutschland geschürten Krise um das sogenannte ‚Sudetenland‘, das schließlich nach dem Münchner Abkommen ins Deutsche Reich eingegliedert wurde.

Antijüdische Gewalt

Mit der ‚Sudetenkrise‘ einher ging in Gebieten mit hohem volksdeutschen Bevölkerungsanteil massive Gewalt gegen tschechische und jüdische Geschäfte sowie politische Gegner.

Gedye berichtet so von einer Fahrt ins ‚Sudetenland‘:

„Die Hauptstraßen von Karlsbad waren mit den Scherben zerbrochener Auslagescheiben übersät. Jedes Geschäft, das ein tschechisches oder jüdisches Firmenschild trug, hatte die Scheiben eingebüßt; die meisten Auslagen waren geplündert worden. […] Als ich die Verwüstung in einem Geschäft photographieren wollte, stellten sich zwei Henlein-Buben von ungefähr siebzehn Jahren zwischen meine Kamera und die Auslage, um mich am Photographieren zu hindern. Als ich zu ihnen sagte: ‚Eure Gesichter werden sich auf der Aufnahme sehr gut neben diesem Musterexemplar deutscher Kultur ausnehmen‘, verschwanden sie. […].

Heute schien nicht ein einziger der bescheidenen jüdischen Läden dieses Ortes unversehrt aus dem Sturm der vergangenen Nacht hervorgegangen zu sein“ (Gedye, George E. R.: Als die Bastionen fielen. Die Errichtung der Dollfuß-Diktatur und Hitlers Einmarsch in Wien und den Sudeten, Wien 1981, S. 390 f.).

Auch in weiteren Orten sah Gedye zerstörte Geschäfte. Sein Urteil über den Ablauf der Gewalt hielt er ebenfalls in seinem Buch fest:

„Die [gemeint sind die Anhänger Konrad Henleins] begannen ganz methodisch alle tschechischen, jüdischen oder deutschdemokratischen Geschäfte zu zerstören und jeden politischen Gegner, der ihnen unter die Hände kam, zu mißhandeln. In manchen Städten waren die Geschäfte ausgeraubt worden, in anderen hatte der Kommandant der Sturmtruppen nach dem Befehl, die Auslagen zu zertrümmern, zwei Sturmtruppmänner mit dem Auftrag postiert, Plünderungen zu verhindern“ (S. 395).

Pogromgewalt vor dem Novemberpogrom

Die geschilderte Gewalt und Zerstörung – sowohl in Österreich als auch in der Tschechoslowakei – nahm in ihren Mitteln und Ausprägungen damit bereits vieles von dem vorweg, was die Novemberpogrome flächendeckend für das gesamte Deutsche Reich bedeuten sollten. Insofern waren die Pogrome um den 9./10.November 1938 zwar schon eine Zäsur in der nationalsozialistischen Judenpolitik. Gleichzeitig standen sie jedoch auch in der Kontinuität kollektiver antisemitischer Gewalt der Vormonate.

Pogrom|Gewalt (1): Der „Anschluss“ Österreichs im März 1938

Die Novemberpogrome waren 1938 nicht die ersten koordinierten Gewaltexzesse, die sich ausdrücklich gegen als ‚Juden‘ verfolgte Menschen richteten. Neben alltäglichen Übergriffen kam es bereits im März und April im Zuge des sogenannten ‚Anschlusses‘ von Österreich – tatsächlich die faktische Annektierung und Besetzung des Landes, die gleichwohl von vielen Österreichern begrüßt wurde – zu Pogromen.

Die Anschlusspogrome in Österreich

Seit Mitte der 1920er-Jahre berichtete aus Wien der Korrespondent George Eric Rowe Gedye von den Entwicklungen in Österreich. Gedye schrieb unter anderem für die New York Times. Er beobachtete den ‚Anschluss‘ und erlebte die in Wien gegen als ‚Juden‘ Verfolgte gerichtete Gewalt. Seine Wahrnehmungen verarbeitete er in einem Buch, dass zuerst 1939 in England, 1940 in den USA und schließlich 1947 als deutsche Ausgabe in Wien erschien (Gedye, George E. R.: Als die Bastionen fielen. Die Errichtung der Dollfuß-Diktatur und Hitlers Einmarsch in Wien und den Sudeten, Wien 1981).

„Reibepartien“ – Die antisemitische Gewalt in Wien

Darin heißt es unter anderem

„Von meinem Büro am Petersplatz konnte ich auch Wochen hindurch den Lieblingssport des Nazimobs beobachten: jüdische Männer und Frauen wurden gezwungen, auf allen vieren kriechend, den Gehsteig mit einer scharfen Lauge zu reiben, die ihnen die Haut verbrannte, so daß sie sich sofort in Spitalsbehandlung begeben mußten“ (S. 294).

Mit diesen ‚Reibepartien‘ einher gingen öffentliche Demütigungen, die Beschmierung von Geschäften und weitere Gewaltexzesse. Der Historiker Dieter Hecht hat nicht nur auf den daraus resultierenden Anstieg der Selbstmordrate um das Vierfache hingewiesen, sondern auch hervorgehoben, dass die NS-Behörden zwar bereits am 14. März erstmals einschritten, eine wirkliche Unterbindung der Ausschreitungen dann allerdings erst Ende April 1938 durch Gauleiter Josef Bürckel versucht wurde (siehe: Hecht, Dieter: Demütigungsrituale – Alltagsszenen nach dem „Anschluss“ in Wien, in: Welzig, Werner (Hg.): „Anschluss“. März/April 1938 in Österreich, Wien 2010, 39–71, hier: S. 42 f.).

Die ‚Anschlusspogrome‘ hatten auch die Verdrängung der Verfolgten aus ihren Geschäften und Unternehmen sowie eine große Fluchtwelle zur Folge, die wiederum eine Verschärfung der Einreisebedingungen in mehreren Aufnahmeländern nach sich zog und die Emigration von als ‚Juden‘ Verfolgten aus dem Deutschen Reich erschwerte.

9. November (2): Gedenktag der nationalsozialistischen Bewegung – Leipzig

Eine nicht zu unterschätzende organisatorische Grundbedingung für die Pogromtaten bildete in vielen Orten die Tatsache, dass der 9. November 1938 auch der 15. Jahrestag des gescheiterten Hitler-Ludendorff-Putschs war. Mitglieder der NSDAP und ihrer Gliederungen versammelten sich an diesem Tag zum Gedenken und zur „Heldenehrung“ – und nicht selten brachen sie dann von diesen Veranstaltungen auf, um die Pogrome zu inszenieren.

Der Hitler-Putsch (1923)

Am 8./9. November 1923 hatten Adolf Hitler, Erich Ludendorff und weitere Putschisten in München den Aufstand geprobt und die Regierung für abgesetzt erklärt. Ein beabsichtigter Marsch auf Berlin scheiterte am Münchner Odeonsplatz, wo es zum Schusswechsel mit der Bayrischen Landespolizei kam. Vier Polizisten, ein Schaulustiger und 13 Putschisten starben.

Gedenken an die „Blutzeugen“ der nationalsozialistischen Bewegung: Leipzig

Aufgrund des Hitlerputsches wurde der 9. November zum zentralen Erinnerungs- und Gedenktag der NS-Bewegung, der im „Dritten Reich“ mit großer Inszenierung begangen wurde.

So auch 1938 in Leipzig, wo mehrere „Blutzeugen der Bewegung“ – also vor 1933 getötete Nationalsozialisten – am 8./9. November auf den Südfriedhof überführt und in einer eigens geschaffenen Gedenkanlage beigesetzt wurden.

Am 9. November 1938 fanden dann am Abend um 20:30 Uhr Veranstaltungen in die einzelnen Ortsgruppen der NSDAP statt. Ranghohe Vertreter der NSDAP wohnten auf Einladung des Oberbürgermeisters zudem der Aufführung von Richard Wagners Oper „Der fliegende Holländer“ bei.

Erst in den späten Abendstunden, habe dann die Bekanntmachung des Todes des Pariser Diplomaten vom Rath „[u]ngeheure Erregung und Empörung“ ausgelöst – so Erich Schwabl, der im Ton der antisemitischen nationalsozialistischen Propaganda im Leipziger Jahrbuch auf das Jahr 1938 zurückblickte.

Bildquelle: Umbettung von sieben Leipziger „Blutzeugen“, 08./09.11.1938 (Leipziger Neueste Nachrichten).

Die Organisation der Gewalt (2): Neustadt (Sachsen)

Auch die Berichte von den Pogromereignissen in Neustadt bei Sebnitz geben Zeugnis von der Organisation der Gewalt. Diese stand auch den Beobachtern vor Ort vor Augen. Kaum jemandem dürfte entgangen sein, dass der von der nationalsozialistischen Propaganda behauptete „spontane Volkszorn“ tatsächlich, mehr oder weniger gut, durch die NSDAP und ihre Gliederungen organisiert war.

Steine aus einem Auto

In Neustadt fuhr ein Autor vor das Textilgeschäft von Eric Israel in der Böhmischen Straße 19 vor. Aus diesem flogen Steine in die Fensterscheiben des Geschäfts.

In der Einfahrt auf der gegenüberliegenden Straßenseite soll zudem ein Tafelwagen mit der Beschriftung „Judenschwein“ und „Judensau“ gestanden haben. Damit sollte das Ehepaar Israel durch die Stadt gefahren werden. Es konnte aber mit Hilfe des Besitzers des Hauses, des Schneidermeisters Josef Wehland, fliehen.

Organisierte Kundgebung

Die später herabgelassenen Rollläden des Geschäfts wurden mit antisemitischen Losungen beschmiert. Zudem sei es noch zu einer Zusammenrottung gekommen, bei der antisemitische Losungen gebrüllt worden seien.

Der Familie Israel gelang 1939 die Flucht in die USA.

Die Angaben zu den Pogromen in Neustadt (Sachsen) sind entnommen aus:

Bergmann, Herbert: Juden in Sebnitz und ihr Schicksal, Sebnitz/Hinterhermsdorf 1999.

Die Organisation der Gewalt (1): Leipzig

Nach allem, was bislang bekannt ist, setzten die Pogromhandlungen in Leipzig erst am 10. November ein. Gegen 1 Uhr nachts erhielt der Kreisleiter der NSDAP Leipzig, Ernst Wettengel, einen Anruf der Gauleitung in Dresden. Darin wurden ‚Maßnahmen‘ gegen die Juden sowie die Zerstörung der Synagogen angeordnet.

Im Vergleich zu Dresden und Chemnitz später Pogrombeginn in Leipzig

In Dresden, aber auch in Chemnitz brach sich die Gewalt bereits ab dem Abend des 9. November seine Bahn. In Leipzig, dürften verschiedene Faktoren den späteren Beginn der Pogrome bedingt haben: Nicht nur die nationalsozialistischen Feierlichkeiten in Erinnerung an den 9. November 1923, den Jahrestag des Hitler-Ludendoff-Putsches, sondern auch die internationale Stellung der Stadt – als Messestadt und Sitz ausländischer Vertretungen – dürften hier eine Rolle gespielt haben.

Der NSDAP-Kreisleiter organisiert die Gewalt

Nach dem Anruf aus Dresden rief Kreisleiter Wettengel die Ortsgruppenleiter und SA-Standartenführer zunächst zu einer Besprechung zusammen. Die Brandschatzung der Einrichtungen der Israelitischen Religionsgemeinde oblag organisatorisch dem Führer der SA-Motor-Standarte 35, Kurt Kießling.

Die ‚spontanen Aktionen‘ sollten ohne Hoheitsabzeichen und Uniform ausgeführt werden. Mit Fahrzeugen ausgestattete Trupps des Nationalsozialistischen Kraftfahrerkorps begannen in den folgenden Stunden mit ihrem Zerstörungswerk.

Kaufhaus Bamberger & Hertz – das erste Feuer

Nach den Recherchen des Leipziger Historiker Steffen Held, einem der besten Kenner der Leipziger Pogromereignisse, war das erste Gebäude, das in Leipzig angegriffen wurde, allerdings nicht die von den Zerstörungstrupps planmäßig in Brand gesetzte Synagoge in der Gottschedstraße unweit der NSDAP-Kreisleitung. Vielmehr seien es SA-Leute gewesen, die in einer spontanen, unkoordinierten Aktion das Kaufhaus Bamberger & Hertz am Augustusplatz in Brand setzten. Die Schuld am Feuer wurde dann allerdings den als ‚Juden‘ verfolgten Geschäftsinhabern zur Last gelegt.

Literaturhinweise:

Held, Steffen: Der Novemberpogrom 1938 und das Spannungsverhältnis öffentlicher Anteilnahme, in: Leipziger Blätter (1998), 33, S. 60–62.

Held, Steffen: Der Novemberpogrom in Leipzig und die Massenverhaftung Leipziger Juden 1938/39, in: Unger, Manfred (Red.): Judaica Lipsiensia. Zur Geschichte der Juden in Leipzig, Leipzig: Edition Leipzig 1994, S. 194–206.

9. November (1): Der Fall des Kaufmanns Bach in Mittweida

Dass Repressalien und Gewalt gegen als ‚Juden‘ verfolgte Menschen auch in Sachsen schon vor den Pogromen im November 1938 immer wieder vorkamen, belegen unter anderem Ereignisse am 9. November 1937 in Mittweida.

Das Kaufhaus Bach am Markt in Mittweida

Das Kaufhaus von Frieda und Herbert Bach war bereits 1933 vom sogenannten Boykott ‚jüdischer‘ Geschäfte betroffen. Es musste 1935 schließen; fortan betrieb Bach ein kleines Geschäft. Am 9. November 1937 verhaftete man Herbert Bach und überführte ihn ins Amtsgericht. Der gegen ihn erhobene Vorwurf lautete auf Lieferbetrug.

Der Tod Herbert Bachs

Was dann genau im Amtsgerichtsgebäude geschah, ist nicht restlos geklärt. Sicher ist, dass Bach den Tag nicht überlebte, weil sich der 33-Jährige angesichts der Verfolgung aus dem Fenster zu Tode stürzte oder durch Dritte hinabgestoßen wurde.

Seit 2008 erinnern zwei Stolpersteine in der Stadt an das Ehepaar. Am 9. November 2017 – dem 80. Jahrestag des Todesfalls – wurde im Rathaus, dem ehemaligen Amtsgericht, eine Gedenktafel enthüllt. Sie wird nach dem Abschluss der Sanierungsarbeiten an der Unglücksstelle angebracht.

Ausführliches wird man zum Fall der Familie Bach in dem Anfang des kommenden Jahres erscheinenden Buch des Historikers Jürgen Nitsche zur Geschichte der Juden in Mittweida nachlesen können.

Hierzu auch:

Domschke, Jan-Peter; et al.: Zur Geschichte der Stadt Mittweida, Mittweida 2009, 140.

Briefmarken (4) – Das Gedenken an die Novemberpogrome in Israel (1988)

Ebenfalls 1988 gab auch Israel eine Briefmarke zum Gedenken an die Novemberpogrome von 1938 heraus. Zahlreiche der in Deutschland nach 1933 als ‚Juden‘ verfolgte Menschen hatten hier Zuflucht und oft auch ein zweites Zuhause gefunden.

Die brennende Synagoge in Heilbronn

Wie die bundesdeutsche Marke, so nahm auch die israelische Briefmarke die Abbildung einer, während der Novemberpogrome brennenden Synagoge auf: Sie zeigt ein Foto der Heilbronner Synagoge. Die Marke erschien im Nennwert von 80 Agorot.

Literaturhinweis: Eisenberg, Ronald L.: The Jewish World in Stamps. 4000 Years of Jewish Civilization in Postal Stamps, Rockville 2002.

Bildquelle: http://www.alemannia-judaica.de/synagoge_heilbronn.htm

Briefmarken (3) – Das Gedenken an die Novemberpogrome in der BRD (1988)

Nicht nur in der DDR, sondern auch in der Bundesrepublik erschien 1988 eine Briefmarke, die anlässlich des 50. Jahrestages an die Novemberpogrome erinnerte.

Die brennende Synagoge in Baden-Baden

Im Unterschied zu den beiden ostdeutschen Briefmarken war hierfür auf eine Fotografie der brennenden Synagoge in Baden-Baden zurückgegriffen worden. Der von Lüdtke stammende Entwurf kam in einer Auflage von 32 Millionen Stück im Nennwert von 80 Pfennigen am 13. Oktober 1988 heraus.

Die brennende oder zerstörte Synagoge als Symbol der Pogrome

Wie die DDR-Briefmarke von 1963 und eine ebenfalls 1988 erschienene israelische Marke, präsentierte die bundesdeutsche mithin das Sujet, das heute den meisten Menschen beim Gedanken an den 9./10. November 1938 vor Augen stehen dürfte: Die brennende oder zerstörte Synagoge. Dass dieses Symbol einen zentralen Platz in der Erinnerungskultur einnimmt, zeigt sich auch daran, dass es heute in der Regel die Gedenksteine an den ‚Leerstellen‘ der ehemaligen Synagogenstandorte sind, an denen das öffentliche Erinnern zelebriert wird. Nicht anders ist das in Sachsen.

Das tausendfache menschliche Leid darf allerdings davon nicht verdeckt werden, denn: Die Pogrome trafen vor allem Menschen, die hier lebten. Und: Es waren andere Menschen, die die Brände legten und Gewalt übten.

Bildquelle: Wikimedia Commons.

Briefmarken (2) – Das Gedenken an die Novemberpogrome in der DDR (1988)

Im Vergleich zu der 1963 erschienenen Briefmarke, unterschied sich die 1988 in der DDR herausgegebene Briefmarke in mehrfacher Hinsicht: Begrifflich war nun nicht mehr von „Kristallnacht“, sondern von „Faschistischer Pogromnacht“ die Rede. Anstatt der Darstellung einer brennenden Synagoge zierte die Marke ein siebenarmiger Leuchter, eine brennende Menora. Der Entwurf der am 8. November 1988 erschienenen Marke geht auf Detlef Glinski zurück. Die Briefmarke kam in einer Auflage von 3,5 Millionen Stück heraus.

Öffentliches Pogromgedenken und die Annäherung an Israel 1988

Die Briefmarke, die anlässlich des 50. Jahrestags der Novemberpogrome erschien, ist in den Kontext des allgemeinen und öffentlichen Pogromgedenkens einzuordnen. Die Öffnung der DDR gegenüber Israel – insbesondere aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus – erhöhte auch die öffentliche Wahrnehmung der jüdischen Gemeinden auf dem Gebiet der DDR und ihrer Geschichten. Die inhaltliche Beschäftigung mit der Geschichte von Juden vor Ort, die auch die Zeit der nationalsozialistischen Verfolgung einschloss, lag zu dieser Zeit bereits vor allem in den Händen zivilgesellschaftlicher Gruppen und Akteure. Diese waren es schließlich auch, die nach dem Mauerfall und der deutschen Wiedervereinigung das Pogromgedenken und die darüber erschienene Literatur nachhaltig beeinflussten.

Bildquelle: Wikimedia Commons.