Die Organisation der Gewalt (1): Leipzig

Nach allem, was bislang bekannt ist, setzten die Pogromhandlungen in Leipzig erst am 10. November ein. Gegen 1 Uhr nachts erhielt der Kreisleiter der NSDAP Leipzig, Ernst Wettengel, einen Anruf der Gauleitung in Dresden. Darin wurden ‚Maßnahmen‘ gegen die Juden sowie die Zerstörung der Synagogen angeordnet.

Im Vergleich zu Dresden und Chemnitz später Pogrombeginn in Leipzig

In Dresden, aber auch in Chemnitz brach sich die Gewalt bereits ab dem Abend des 9. November seine Bahn. In Leipzig, dürften verschiedene Faktoren den späteren Beginn der Pogrome bedingt haben: Nicht nur die nationalsozialistischen Feierlichkeiten in Erinnerung an den 9. November 1923, den Jahrestag des Hitler-Ludendoff-Putsches, sondern auch die internationale Stellung der Stadt – als Messestadt und Sitz ausländischer Vertretungen – dürften hier eine Rolle gespielt haben.

Der NSDAP-Kreisleiter organisiert die Gewalt

Nach dem Anruf aus Dresden rief Kreisleiter Wettengel die Ortsgruppenleiter und SA-Standartenführer zunächst zu einer Besprechung zusammen. Die Brandschatzung der Einrichtungen der Israelitischen Religionsgemeinde oblag organisatorisch dem Führer der SA-Motor-Standarte 35, Kurt Kießling.

Die ‚spontanen Aktionen‘ sollten ohne Hoheitsabzeichen und Uniform ausgeführt werden. Mit Fahrzeugen ausgestattete Trupps des Nationalsozialistischen Kraftfahrerkorps begannen in den folgenden Stunden mit ihrem Zerstörungswerk.

Kaufhaus Bamberger & Hertz – das erste Feuer

Nach den Recherchen des Leipziger Historiker Steffen Held, einem der besten Kenner der Leipziger Pogromereignisse, war das erste Gebäude, das in Leipzig angegriffen wurde, allerdings nicht die von den Zerstörungstrupps planmäßig in Brand gesetzte Synagoge in der Gottschedstraße unweit der NSDAP-Kreisleitung. Vielmehr seien es SA-Leute gewesen, die in einer spontanen, unkoordinierten Aktion das Kaufhaus Bamberger & Hertz am Augustusplatz in Brand setzten. Die Schuld am Feuer wurde dann allerdings den als ‚Juden‘ verfolgten Geschäftsinhabern zur Last gelegt.

Literaturhinweise:

Held, Steffen: Der Novemberpogrom 1938 und das Spannungsverhältnis öffentlicher Anteilnahme, in: Leipziger Blätter (1998), 33, S. 60–62.

Held, Steffen: Der Novemberpogrom in Leipzig und die Massenverhaftung Leipziger Juden 1938/39, in: Unger, Manfred (Red.): Judaica Lipsiensia. Zur Geschichte der Juden in Leipzig, Leipzig: Edition Leipzig 1994, S. 194–206.

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