Von vielen sächsischen Orten, in denen als ‚Juden‘ verfolgte Menschen lebten oder Eigentum besaßen, ist oft nur wenig über die Verfolgung und auch über die Pogrome bekannt. Dies liegt auch daran, dass häufig andere Schwerpunkte für die Lokalgeschichte gesetzt oder die Zeit des Nationalsozialismus bewusst kaum berührt wurde.
Der Fall der Stadt Kamenz
Dass es nicht immer leicht ist, die Pogromereignisse für Sachsen zu rekonstruieren und bestätigen, zeigt auch der Fall der Stadt Kamenz. Dort beschäftigte sich 1990/1991 der Lehrer und Heimatforscher Günter Vogelsang mit der Geschichte der Juden. In einer mehrteiligen Artikelreihe in der Lokalausgabe der Sächsischen Zeitung berichtete er auch über die Ausgrenzung und Verfolgung in Kamenz nach 1933.
Ein Pogrom in Kamenz?
Im 18. Teil der Serie, die am 12./13. Januar 1991 erschien, ging Vogelsang auch auf die Pogromereignisse von 1938 ein. Neben der allgemeinen Einordnung und Darstellung enthält der Artikel genau einen Satz zum Geschehen vor Ort: „In Kamenz wurden die Geschäftsfenster der jüdischen Geschäfte ‚nur‘ beschmiert“ – also im Gegensatz zu vielen anderen Orten nicht eingeschlagen. Welche Geschäfte genau betroffen waren und was an die Schaufenster geschmiert worden war, lässt der Artikel offen.
Es war bislang nicht möglich, mehr darüber zu erfahren, ob und was sich um den 9./10. November 1938 in Kamenz abspielte. Bislang ließen sich die geschilderten Beschmierungen nicht durch andere Quellen belegen. Das ‚Kamenzer Tageblatt‘ berichtete am 11. November 1938 zwar von den Pogromen in Leipzig und Dresden. Lokale Ereignisse wurden – im Gegensatz zu anderen Lokalzeitungen, die solche eigentlich fast immer aufnahmen – nicht benannt.
Es ist deshalb durchaus möglich, dass die Beschmierungen im Kontext anderer antisemitischer Maßnahmen standen, vor allem dann, wenn Zeitzeugen diese nicht mehr sicher zuordnen konnten. Eine Frage also, die Anregung zu weiterer Forschung geben kann.
Quelle: Vogelgesang, Günter: Juden an der hohen Straße [Kamenz], in: Sächsische Zeitung (Kamenz), (12/13.01.1991), S. 15.