Category: Material&Quellen

Die Novemberpogrome in Sachsen 1938: Aktualisierte Karte (07/2018)

Für dem Buchband zu den Novemberpogromen in Sachsen 1938, der im Herbst im Verlag Hentrich & Hentrich erscheinen wird, habe ich heute auch die Karte zu den Pogromereignissen überarbeitet und an den aktuellen Kenntnisstand angepasst.

Nachträge und Streichungen

Im Ergebnis verfüge ich bislang über gesicherte Kenntnis für Pogrome in 56 Orten, die heute zum Freistaat Sachsen gehören. Aufgeführt sind Städte und Gemeinden, in denen es zu antisemitischen Kundgebungen, Gewaltexzessen und Übergriffen, Zerstörungen von Wohnungen, Geschäften und Einrichtungen der jüdischen Gemeinden sowie Verhaftungen kam.

Im Vergleich zu früheren Karten sind in die aktuelle Version einige Ergänzungen eingeflossen. Die Orte Kamenz, Oschatz und Radeberg, für die ich zwar einige Hinweise für Pogromereignisse hatte und die deshalb in den Vorversionen enthalten waren, sind dagegen vorerst herausgenommen. Sie bedürfen, wie auch weitere sächsische Orte – so etwa Bischofswerda und Hoyerswerda – weiterer vertiefender Forschungen.

Spiegel von Demografie und Forschungslandschaft

Die Verteilung der nachweislichen Pogromereignisse spiegelt, darauf hatte ich bereits in früheren Blogeinträgen hingewiesen, zunächst vor allem einmal die Bevölkerungsverteilung in Sachsen im Jahr 1938 wider. Sie ist gleichzeitig aber auch ein Indiz für die Forschungsdichte zur Geschichte der als Juden verfolgten Menschen in Sachsen.

Es zeigt sich, dass neben den Großstädten unzählige kleinere Orte mit den Pogromereignissen in Verbindung gebracht werden können. Es ist anzunehmen, dass sich deren Zahl im Laufe der weiteren Recherchen noch weiter erhöhen wird.

Über Hinweise zu weiteren Orten, an denen Menschen im November 1938 verfolgt, verhaftet und ihr Eigentum angegriffen wurden, würde ich mich weiterhin freuen (Kontakt).

Mein Dank geht nochmals an jene Personen und Initiativen, die mich an ihrem Wissen und ihren Forschungsergebnissen teilhaben ließen, ebenso an alle Zeitzeugen, die ich im Rahmen meiner bisherigen Recherchen befragen konnte.

 

Stolpersteine als dezentrales Denkmal für die Verfolgten des 9. November 1938

Das Stolperstein-Gedenken

Die Stolpersteine als individuelle Form der Erinnerung, die Menschen, ihre Schicksale und damit verknüpften Orte in den Mittelpunkt stellt, werden am 9. November gereinigt, Kerzen aufgestellt und oft auch Informationen zu den Biografien der Verfolgten vermittelt. Weitere Steine sind für andere Verfolgte des Nationalsozialismus verlegt.

Der 9. November als universeller Gedenktag für als Juden verfolgte Mitmenschen

Das Stolperstein-Gedenken zeigt, dass das Datum des Auftakts der organisierten Novemberpogrome, der 9. November 1938, längst zum allgemeinen Erinnerungstag für die in der Zeit des Nationalsozialismus als Juden verfolgten ehemaligen Mitmenschen und -bürger avanciert ist.

Stolpersteine in Sachsen

Informationen zu den Stolpersteinen in Sachsen finden sich:
für Dresden: http://stolpersteine-dresden.de/; https://de.wikipedia.org/…/Liste_der_Stolpersteine_in_Dresd…

für Leipzig: http://www.stolpersteine-leipzig.de/

für Chemnitz: http://www.chemnitzer-stolpersteine.de/home.html; https://de.wikipedia.org/…/Liste_der_Stolpersteine_in_Chemn…

für Plauen: https://de.wikipedia.org/…/Liste_der_Stolpersteine_in_Plauen

für Aue: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Aue

für Auerbach: https://de.wikipedia.org/…/Liste_der_Stolpersteine_in…/Vogtl.

für Görlitz: http://unser-goerlitz.de/…/geschichte/stolpersteine_goerlitz; https://de.wikipedia.org/…/Liste_der_Stolpersteine_in_G%C3%…

für Johanngeorgenstadt: https://de.wikipedia.org/…/Liste_der_Stolpersteine_in_Johan…

für Kamenz: https://de.wikipedia.org/…/Liste_der_Stolpersteine_in_Kamenz

für Meerane: https://de.wikipedia.org/…/Liste_der_Stolpersteine_in_Meera…

für Meißen: https://de.wikipedia.org/…/Liste_der_Stolpersteine_in_Mei%C…

für Olbernhau: https://de.wikipedia.org/…/Liste_der_Stolpersteine_in_Olber…

für Radebeul: https://de.wikipedia.org/…/Liste_der_Stolpersteine_in_Radeb…

für Wilsdruff: https://de.wikipedia.org/…/Liste_der_Stolpersteine_in_Wilsd…

für Wittichenau:
https://de.wikipedia.org/…/Liste_der_Stolpersteine_in_Witti…

Weitere sächsische Orte, an denen Stolpersteine verlegt wurden, finden sich unter: https://de.wikipedia.org/…/Liste_der_Orte_mit_Stolpersteine…

Anneliese Schellenberger, Leipzig: Die brennende jüdische Friedhofshalle

Als Kind Zeugin der Pogrome in Leipzig – bis heute davon geprägt

Mit neun Jahren erlebt Anneliese Schellenberg in Leipzig die brennende Feierhalle des Neuen Jüdischen Friedhofs und umherstehenden Schaulustigen.

Ein kurzer Bericht über ihre Erlebnisse findet sich in einem Beitrag über die Novemberpogrome und deren aktuelle Bezüge unter anderem in den Dresdner Neuesten Nachrichten und in der Leipziger Volkszeitung vom 9. November 2016.

Das Interview

Ein Interview mit Frau Schellenberger, in dem sie das Gesehene schildert, bietet gegenwärtig das Online-Radio detektor.fm unter: https://detektor.fm/gesellschaft/gedenken-pogromnacht-1938-zeitzeugen

Schellenberger zieht darin auch Verbindungslinien zu gegenwärtigen Problemen von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus.

Der Hintergrund

Die Feierhalle des 1925 geweihten Neuen jüdischen Friedhofs in der Delitzscher Straße wurde während der Pogromnacht in Brand gesetzt. Ihr Abriss erfolgte im Februar 1939 (Quelle).

Ausführlichere Einblicke zur Geschichte der als Juden verfolgten Leipziger bietet eine Informationsband des Stadtgeschichtlichen Museums, der online verfügbar ist.

Zeitzeugengespräch mit Henny Brenner (Jg. 1924), 02.02.2016

Zeitzeugin und Überlebende der Schoa zum Gespräch in Dresden

Die 1924 in Dresden geborene Henny Brenner, geb. Wolf, Tochter eines protestantischen Vaters und einer jüdischen Mutter, berichtete heute im Stadtmuseum Dresden über ihre Erlebnisse in der Zeit des Nationalsozialismus und die Verfolgung der Juden. Kurz schilderte sie auch ihre Erlebnisse vom 10. November 1938.

Die Ruine der rauchenden Synagoge am Zeughausplatz sah sie aus der Straßenbahn auf dem Weg in die jüdische Schule in der Fröbelstraße. Von dort wurde sie wieder nach Hause geschickt, da die Schule geschlossen wurde. Auf der Rückfahrt sah sie Menschenmengen, zerschlagene Schaufenster und Plünderungen.

CIMG1997

Buchcover

Eigentlich sei dies der richtige Moment gewesen, die Koffer zu packen und Deutschland zu verlassen, so die heute 91-jährige, doch sei ihr Vater immer noch der Hoffnung gewesen, dass es mit dem „Verbrecher“ Hitler nicht mehr lange gehe.

„Das Lied ist aus“

Brenner schrieb ihre Erinnerungen in dem Buch „Das Lied ist aus“. Ein jüdisches Schicksal in Dresden (Zürich: Pendo, 2001) nieder, wo sich auch ein kurzer Bericht zum Pogrom in Dresden findet (S. 54 f.).

Im Netz finden sich mehrere Interviews, so u. a.: