Category: Bruchstücke 1938|2018

Steinernes Gedenken (1): Eine Gedenkstele in Dresden

Zu den ersten Gedenkorten im öffentlichen Raum, die explizit an die ehemaligen Standorte der 1938 zerstörten Synagogen und die sächsischen Novemberpogrome erinnern, gehört die Dresdner Gedenkstele am Hasenberg.

Stelengedenken

Im Rahmen der Feierlichkeiten zum 30. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus wurde die Stele am 22. April 1975 durch den Dresdner Oberbürgermeister Gerhard Schill eingeweiht. Sie war auf Kosten der Stadt durch den Bildhauer Friedemann Döhner hergestellt und am Hasenberg, einige Meter vom ursprünglichen Standort der Dresdner Sempersynagoge aufgestellt worden.

Die Stele war fortan Ort des Gedenkens für die Opfer des Faschismus wie der Pogrome und des Holocaust im Speziellen. In den Folgejahren etablierten sich feste Zeremoniale von Blumen- und Kranzniederlegungen. Bis heute ist die Stele der Ort, an dem am 9. November im Zusammenspiel von Jüdischer Gemeinde, Stadt und politisch-gesellschaftlichen Repräsentanten das Pogromgedenken mit Kranzniederlegung und Totengebet seinen Höhepunkt findet.

Inschrift

Der Gedenkstein, der die Form einer Menora hat, trägt folgende Inschrift:

Zur ewigen Mahnung
an die Opfer des Faschismus
Hier stand die
1838-1840 von
Gottfried Semper erbaute
durch Oberrabbiner
Dr. Zacharias Frankel
geweihte und
am 9. November 1938
von den Faschisten zerstörte Synagoge
der Israelitischen
Religionsgemeinde zu Dresden.

 

Die internationale Wahrnehmung der Pogrome (4): Die britischen Diplomaten

Anfang 1933 unterstanden der britischen Botschaft in Berlin 17 Konsulate, darunter das Konsulat in Leipzig mit Vizekonsulaten in Dresden und Chemnitz. Die Berichte der britischen Diplomaten kennzeichnen 1938 die sich anbahnende Kriegsgefahr und dadurch ausgelöste internationale Krise. Auch die sich verschärfende Judenverfolgung geriet in den Blick.

Die Novemberpogrome in ihren Facetten gehören wohl zu den am besten dokumentiertes Ereignissen der britischen Diplomatie. Inwiefern auch die in Sachsen stationierten Vertreter der Inselstaats detailliert über die hiesigen Pogrome berichteten, bleibt in jedem Fall eine Zielstellung für weitere Forschungsarbeiten.

Siehe hierzu: Michels, Eckard: „If War Comes I Presume There Will Be Few Pro-Germans in the British Isles, But There Will Be Vast Numbers of Pro-British-Germans“. Die Berichterstattung britischer Konsulate aus dem „Dritten Reich“ 1933-1939, in: Bajohr, Frank; Strupp, Christoph (Hg.): Fremde Blicke auf das „Dritte Reich“. Berichte ausländischer Diplomaten über Herrschaft und Gesellschaft in Deutschland 1933 – 1945, Göttingen 2011, S. 38–70.

Die internationale Wahrnehmung der Pogrome (3) Die costa-ricanischen Konsuln

Während der polnische und der amerikanische Konsul von den nationalsozialistischen Judenverfolgungen berichteten, fehlten diese in den Berichten anderer Diplomaten. Die costa-ricanischen Konsuln in Dresden und Leipzig etwa, erwähnten die Pogrome mit keinem Wort.

Lediglich dort, wo es um Fragen der Einwanderungspolitik ging, sei auch die Judenverfolgung thematisiert worden. Ansonsten hätten sich die Berichte nicht selten wie Wiedergaben der nationalsozialistischen Propaganda gelesen.

Dazu ausführlich: Mora, Dennis Arias; Berth, Christiane: Die Berichterstattung der costaricanischen Konsuln. Politische Zurückhaltung, Dominanz wirtschaftlicher Fragen und restriktive Einwanderungspolitik, in: Bajohr, Frank; Strupp, Christoph (Hg.): Fremde Blicke auf das „Dritte Reich“. Berichte ausländischer Diplomaten über Herrschaft und Gesellschaft in Deutschland 1933 – 1945, Göttingen 2011, 266–286.

Die internationale Wahrnehmung der Pogromereignisse (2): Der polnische Konsul

Wie sein amerikanischer Kollege wurde auch der Leipziger polnische Generalkonsul Feliks Chiczewski Zeuge der Pogromgewalt in der Messestadt, über die er an die polnische Botschaft am 12. und 17. November 1938 berichtete.

Öffnung des Konsulats

Mehr noch: Chiczewski öffnete, wie schon während der sogenannten ‚Polen-Aktion‘ das Konsulat in der Wächterstraße für die als Juden Verfolgten. Nach eigenen Angaben hätten dabei erneut etwa 1.000 Menschen auf dem Konsulatsgelände Schutz erhalten.

Der Bericht des Augenzeugen

Über die Flucht ins Konsulat berichtete auch Alfred Malecki. Er erinnerte sich später an die Begebenheiten: „Als die Taxe mich ans Konsulat brachte, stand eine Menge von Nazis vor dem Tor, um zu verhüten, dass Menschen dort Schutz suchen. Dank des polnischen Konsuls, der sich wohl beim Polizeipräsidenten beschwerte, kam gerade ein Überfallkommando mit Polizisten, welche die Nazis zur Seite schoben und so mir und anderen, welche auch Schutz suchten, halfen. Das Gebäude des Konsulat und der Garten war überfüllt mit Juden bis gegen 4 Uhr nachmittags, als der Konsul vom Balkon zu uns sprach und uns erklärte, dass er vom Polizeipräsidenten die Versicherung bekam, dass alle polnischen Juden nichts zu befürchten hätten und ruhig nach Hause gehen könnten“ (zit. nach Tomaszewski, Jerzy: Auftakt zur Vernichtung. Die Vertreibung polnischer Juden aus Deutschland im Jahre 1938, Osnabrück 2002, S. 226 f.).

Die internationale Wahrnehmung der Pogromereignisse (1): Der amerikanische Konsul

Auch in Sachsen gab es im Herbst 1938 noch ausländische Vertretungen, so unter anderem in Leipzig und Dresden. Diese beobachteten die nationalsozialistische Politik gleichsam aus nächster Nähe und berichteten regelmäßig an Botschaften und Außenministerien ihrer Länder.

Der amerikanische Konsul in Leipzig

In Leipzig erlebte unter anderen der amerikanische Konsul die Gewaltexzesse des Pogroms im November 1938. David H. Buffum berichtete darüber noch unter dem Eindruck der jüngsten Ereignisse: „Nachdem sie Wohnungen demoliert und den größten Teil des Mobilars auf die Straße geworfen hatten, warfen die unersättlich sadistischen Täter viele der zitternden Bewohner in einen kleinen Bach, der durch den Zoologischen Garten fließt, und forderten die entsetzten Zuschauer auf, sie anzuspeien, mit Lehm zu besudeln und sich über ihre Not lustig zu machen … Das geringste Anzeichen von Mitleid rief auf Seiten der Täter einen regelrechten Zorn hervor.“ (zit. nach Friedländer, Saul, Das Dritte Reich und die Juden. Die Jahre der Verfolgung, 1998, S. 299).

Buffum nahm nicht nur Bezug auf die Übergriffe auf Wohnungen, sondern auch auf die Demütigung von als Juden verfolgten Menschen am Ufer des kleinen Flüsschens Parthe.

Siehe auch: Strupp, Christoph: Beobachtungen in der Diktatur. Amerikanische Konsulatsberichte aus dem „Dritten Reich“, in: Bajohr, Frank; Strupp, Christoph (Hg.): Fremde Blicke auf das „Dritte Reich“. Berichte ausländischer Diplomaten über Herrschaft und Gesellschaft in Deutschland 1933 – 1945, Göttingen 2011, S. 70–137.

Vom Rath-Gedenken in den NSDAP-Ortsgruppen im Kreis Aue

Dass die Kenntnis vom Ableben vom Raths viele sächsische NSDAP-Kreise offensichtlich bereits am späten Abend des 9. November 1938 erreichten, zeigen die bekannten nationalsozialistischen Zeitungsberichte zum Teil sehr deutlich.

Die NSDAP in Aue gedenkt

So heißt es im ‚Erzgebirgischen Volksfreund‘ am 10. November 1938 etwa:

„Wie überall im Reich fanden gestern abend auch in den Auer Ortsgruppen der Partei und in den Ortsgruppen des gesamten Auer Kreises Gedenkfeiern statt, in denen die Opfer des 9. Novembers [von 1923] geehrt wurden. […] Wohl überall hat man an diesem Abend wie in der Ortsgruppe Aue-Zelle, an deren Feier wir selbst teilnahmen, des jüngsten Blutzeugen für die Idee des jungen Deutschland gedacht. Wie entboten an diesem Tage dem von jüdischer Mörderhand gemeuchelten Gesandtschaftsrat vom Rath unseren Gruß. […].“

Gelegt wurde hier das ideologische Fundament für die auch in Aue folgende Pogromgewalt.

Antijüdischer Protestorganisation in Großenhain

Wie sich die Pogrome nach dem Tod Ernst vom Raths entwickelten, zeigen die organisierten antisemitischen Propagandakundgebungen am 10. November, die sich für mehrere sächsische Orte nachweisen lassen.

Heute Massenkundgebung

Am 10. November 1938 rief so etwa das ‚Großenhainer Tageblatt‘ zu einer Massenkundgebung auf dem Adolf-Hitler-Platz auf. In dem Aufruf heißt es: „Wieder hat ein feiger jüdischer Mord einen Deutschen, den Gesandtschaftsrat I. Klasse, Pg. vom Rath, zum Opfer gefordert. Gegen diese Gemeinheit gilt es nachdrücklich allseitig zu demonstrieren.“

Dass Joseph Goebbels dann ab dem Nachmittag des Tages das Ende der öffentlichen Pogromgewalt anordnete, hatte dann offenbar zur Folge – wie in verschiedenen anderen sächsischen Orten auch –, dass die nicht stattfand. In den Folgeausgaben des ‚Großenhainer Tageblatts‘ finden sich darauf jedenfalls offensichtlich keine Bezüge.

Synagogenruinen als Ziel für Schaulustige

Viele Augenzeugenberichte und autobiografische Schriften, die Bezug auf die Novemberpogrome nehmen, zeigen, dass zahlreiche Menschen aus unterschiedlichen Motiven heraus die zerstörten Synagogen und Geschäfte aufsuchten.

Mit eigenen Augen sehen

Während ein Teil der Menschen die Zerstörungen als neuen Höhepunkt der antisemitischen Judenverfolgung mit eigenen Augen sehen wollten und damit die schlimmsten Befürchtungen für die Zukunft der nationalsozialistischen Politik verbanden, kamen andere aus purer Neugier und Schaulust.

Schaulustige aus der Lößnitz

Der ‚General-Anzeiger für die Lößnitz‘, die Radebeuler Zeitung, wusste am 11. November 1938 so nicht nur von den Dresdner Pogromereignissen zu berichten, sondern vermerkte auch, dass die Ruine der niedergebrannten Synagoge zum Ziel zahlreicher Schaulustiger geworden sei. Unter diesen, so das Blatt weiter, hätten sich auch Menschen aus Radebeul befunden. Und diese wiederum trugen ihre Erlebnisse in ihren Heimatort weiter.

Trauerbeflaggung zur Beisetzung vom Raths in Sachsen

Acht Tage nach seinem Tod wurde der deutsche Diplomat Ernst vom Rath in Düsseldorf im Rahmen eines Staatsakts beigesetzt. Die Tagespresse berichtete auch in Sachsen von der Trauerkundgebung und zeigte verschiedene Fotografien. Der offizielle Anlass für die Pogromgewalt eine Woche zuvor wurde den Menschen also nochmals vor Augen geführt.

Trauerbeflaggung

Reichsinnenminister Wilhelm Frick und Reichspropagandaminister Joseph Goebbels ordneten dafür an, wie es die ‚Zittauer Morgen-Zeitung‘ (63, 268 (16.11.1938), 1. BBl., S. 1) berichtete, dass die „staatlichen und kommunalen Verwaltungen, Anstalten und Betriebe, die sonstigen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie die öffentlichen Schulen im ganzen Reich […] aus diesem Anlaß am Donnerstag Trauerbeflaggung“ setzten. Auch an die Bevölkerung erging Anweisung, „in gleicher Weise zu klagen.“

Die Schäden der Pogromzerstörungen in Meißen

Nicht nur über die sogenannte ‚Sühneleistung‘ kamen auf die von den Pogromzerstörungen Betroffenen enorme Kosten zu, sondern auch über die ‚Verordnung zur Wiederherstellung des Straßenbildes‘. Da die Versicherungssummen konfisziert wurden, waren die Besitzer zerstörter Geschäfte gezwungen, die Neuverglasungen und Herrichtungen aus eigener Tasche zu zahlen. Hinzu kamen die finanziellen Verluste, die durch die Zerstörung und Plünderung von Warenbeständen als auch das Verbot ‚jüdischer‘ Geschäfte entstanden.

Pogromschäden in Meißen

Konkrete Zahlen zu den Pogromschäden sind für Meißen bekannt: Hier wurden bei Elsa Cohn Scheiben im Gegenwert von fast 650 Reichsmark, bei Löwenthal in Höhe von über 4.300 Reichsmark und bei Sachs von knapp 4.400 Reichsmark zerstört. Die Gesamtschadenssummen für diese Geschäfte lagen indes noch deutlich höher: Bei Cohn bei rund 850 Reichsmark, bei Löwenthal bei knapp 12.400 Reichsmark und bei Sachs bei etwas über 6.200 Reichsmark.

Hierzu: Christl, Andreas; Steinecke, Gerhard: Juden in Meißen. Nossen 2000, S. 25.