Category: Bruchstücke 1938|2018

„Reichskristallnacht“ – Ein Begriff und seine Geschichte

Die Pogromereignisse vom November 1938 haben in die Öffentlichkeit unter verschiedenen Begriffen Eingang gefunden. Die Nationalsozialisten selbst sprachen von „Aktionen“ (zum diesem, aktivistischen Begriff hat sich bereits Viktor Klemperer in seiner LTI geäußert) oder „spontanem Volkszorn“ gegen die Juden. Die Rede war auch von der „Grünspan-Affäre“.

„Reichskristallnacht“ – ein Begriff und seine Entwicklung

Angesichts der Zerstörungen fanden nach dem November 1938 verschiedene euphemistische Begriffe für die Ereignisse Eingang in den Sprachgebrauch und die Erinnerung. Neben „Reichsscherbenwoche“ zählte hierzu auch „Reichskristallnacht“. Der Begriff lässt sich auf einen NS-Beamten zurückführen, der diesen im Juni 1939 gebrauchte (vgl. Harald Schmid, Erinnern an den Tag der Schuld, 2001, S. 82 f.; Kreutzmüller, Christoph; Weigel, Bjoern: Kristallnacht? Bilder der Novemberpogrome 1938 in Berlin, Berlin 2013, S. 4).

„Reichskristallnacht“ ging in den öffentlichen Sprachgebrauch und nach dem Zweiten Weltkrieg dann auch in die Erinnerungskultur ein.

Begriffsprobleme: Kristall – Nacht

Während im englischsprachigen Raum immer noch von „Kristallnacht“ gesprochen wird (auch: Night of the Broken Glas), wird im deutschen Sprachraum heute meist von den „Novemberpogromen“, der „Pogromnacht“ oder „Reichspogromnacht“ geredet. Diese begriffliche Umorientierung hat vor allem zwei Gründe:

  1. „ReichsKRISTALLnacht“ nimmt vor allem auf zerstörte Sachwerte und konkret auf zerbrochenes Glas Bezug. Dahinter verschwinden allerdings die Menschen, die Opfer der Gewalt jener Tage geworden sind. Die Ereignisse selbst werden dadurch gewissermaßen beschönigt.
  2. Der Begriff der „ReichskristallNACHT“ suggeriert darüber hinaus, dass sich die Pogromereignisse auf eine Nacht beschränkten und die Übergriffe weitestgehend unbemerkt von den ‚schlafenden‘ deutschen Bürgern stattgefunden hätten. Weder das eine, noch das andere war aber der Fall: Die Pogrome zogen sich vom 7. November bis – zieht man die Verhaftungen mit in Betracht – weit nach dem 13. November 1938 hin. Und: Die Gewalt und Demütigung geschah zumindest in den Orten, wo als ‚Juden‘ Verfolgte lebten, in der Regel vor aller Augen – das zeigt die Mehrzahl der überlieferten Fotografien vom 10. November 1938. Und: Wer die Pogrome nicht persönlich beobachten konnte, für den fassten Zeitungen die wichtigsten Ereignisse propagandistisch aufbereitet zusammen.

Zerstörte Schaufenster in Eibenstock – Ein Zeitungsartikel aus der gelenkten Tagespresse

Von den Pogromereignissen in Eibenstock berichtete das dortige Tageblatt am 11. November 1938. Darin heißt es:

„Auch in Eibenstock hat es heute Nacht geklirrt. Wie überall im Reich, kam es aus Anlaß der feigen jüdischen Mordtat an dem deutschen Diplomaten vom Rath auch in Eibenstock zu judenfeindlichen Kundgebungen. Gestern abend in der siebenten Stunde warfen mehrere Personen, die von auswärts stammen sollen, die Schaufensterdekorationen der Firma Kalitzki Nachfolger durcheinander“ (Eibenstocker Tageblatt 85, 264 (11.11.1938), S. [3]).

Die Pogromgewalt in Eibenstock

Bislang liefert der Zeitungsartikel die einzigen konkreten Hinweise zu den Pogromereignissen im erzgebirgischen Eibenstock. Die Firma A. J. Kalitzki Nachfolger bestand dort seit dem Ende des 19. Jahrhunderts als Kleidergroßhandelsgeschäft. Einer der Söhne des Geschäftsgründers Arno Israel Kalitzki, Alfons, erlebte die Pogrome 1938 in Chemnitz und wurde in Buchenwald inhaftiert. Anschließend gelang der Familie die Emigration.

Der letzte Inhaber von A. J. Kalitzki Nachfolger war anscheinend Max Rosenthal. Zur Geschichte des Eibenstocker Geschäfts, das auf Ansichtskarten abgebildet ist, und der Geschäftsinhaber sind noch weitere Akten zu sichten.

Ein Zeitungsartikel und sein Inhalt

Der Zeitungsartikel macht insgesamt zweierlei deutlich: Zum einen zeigt er die antisemitische Inanspruchnahme des Pariser Attentats durch die nationalsozialistische Propaganda. Zum anderen aber bietet er Hinweise auf die Chronologie der Eibenstocker Pogromereignisse: Demnach bracht die Gewalt dort erst am Abend des 10. November 1938 aus. Die beiläufige Erwähnung, dass die Täter von außerhalb stammen sollen, ist zudem ein Hinweis auf die organisatorische Umsetzung der Pogrome, die sich auch für andere Orte belegen lässt.

Victor Klemperer (3) – Die filmische Erinnerung an die Pogrome

Lediglich ein einziger Spielfilm ist mir bislang bekannt, in dem die sächsischen Pogromereignisse thematisiert wurden: In der zwölfteiligen Fernsehserie „Klemperer – Ein Leben in Deutschland“, die 1999 in der ARD mit Matthias Habich und Dagmar Manzel ausgestrahlt wurde, befasste sich eine der Folgen auch mit den Pogromexzessen.

Fiktive Erlebnisse in „Drehna“

Allerdings ging die Serie, die sich an den Tagebüchern Victor Klemperers orientierte, weit über die historische Vorlage hinaus: Gezeigt wird so unter anderem eine Szene in einem Ort namens „Drehna“, durch den das Ehepaar Klemperer auf einer Rückreise nach Dresden und einem Unfall fahren. Dort werden sie Zeuge der Pogromgewalt, wobei Regie und Drehbuch alle Elemente der Ausschreitungen ins Bild zu rücken versuchen: Feuer, Gewalt, Demütigung, Plünderung, Wohnungszerstörung, uniformierte und zivile Täter, die Tatenlosigkeit der Polizei sowie ein Beispiel von Zivilcourage sind hier extrem gedrängt zusammengeführt. Tatsächlich erlebt haben Victor und Eva Klemperer die dargestellte Szene allerdings nicht. Vielmehr ging es den Filmemachern hier wohl darum, den Bruch, den die Novemberpogrome für die als ‚Juden‘ Verfolgten bedeuteten, den Fernsehzuschauern vor Augen zu führen.

Die Klemperers als Retter eines Davidsterns

Nicht nur die Pogromerlebnisse in „Drehna“, sondern auch eine nachfolgende Szene sind erfunden: Darin beteiligt sich Victor Klemperer an der Rettung eines Davidsterns – vermutlich soll es ein Stern der Dresdner Synagoge sein. Er versteckt den Stern nicht nur, sondern bringt ihn dann mit seinem Auto auch noch in ein sicheres Versteck. Auch diese Szene ist, wie erwähnt, erfunden. Sie zeigt in ihrem Bezug aber zugleich, welch hoher Symbolgehalt den brennenden und zerstörten Synagogen für unser heutiges Bild von den Novemberpogromen als auch für die Erinnerungkultur zukommt.

Victor Klemperer (2) – Die Angst nach den Pogromen

Neben den heute bekannten Briefen gibt auch Victor Klemperers Tagebuch einen Eindruck davon, wie sehr die Pogromgewalt die Verfolgten belastete. Spätestens angesichts der zerstörten Wohnungen, Geschäfte und Synagogen sowie der erfahrenen physischen und psychischen Angriffe bemühten sich nun auch jene um Ausreise, die bislang zumindest auf eine Koexistenz von ‚Juden‘ und ‚Nichtjuden‘ im Deutschen Reich gehofft hatten.

Klemperers Ausreisebemühungen

Auch Klemperer war um Emigration bemüht, wie unter anderem sein Tagebuch verrät. Unter dem 27. November 1938 schrieb er:

„Unter dem ersten Eindruck hielten wir ein Fortmüssen für absolut notwendig und begannen mit Vorbereitungen und Erkundigungen. Ich schrieb am Tag nach der Verhaftung am Sonnabend 12. 11. dringende SOS- Briefe an Frau [Jenny] Schaps und Georg [Klemperer – den Bruder]. Der kurze Brief an G. begann: Sehr schweren Herzens, aus ganz veränderter Situation, ganz an den Rand gedrängt, ohne Détails: Kannst Du für meine Frau und mich Bürgschaft leisten, kannst Du uns beiden für ein paar Monate drüben helfen? In persönlicher Bemühung würde ich sicher irgendeinen Posten als Lehrer oder im Bureau finden. – Ich telephonierte an Arons – der Mann hatte mich am Tage des Münchener Abkommens am Bismarck angesprochen. Herr [Alfred] A. sei nicht anwesend, Frau [Bertha] A. würde mich Abends gegen acht empfangen. Ich fuhr hin: eine reiche Villa in der Bernhardtstr. Ich erfuhr, dass er und mit ihm überviele andere verhaftet und verschleppt seien; man weiss noch heute nicht, ob sie im Lager Weimar sind oder bei den Befestigungsarbeiten im Westen als Sträflinge u. Geiseln verwendet werden“ (Victor Klemperer: Die Tagebücher, S. 1159).

Ohne Erfolg – Überleben bis 1945

Erfolg war ihm nicht beschieden. Bis Anfang 1945 lebte Victor Klemperer, von seiner ‚arischen‘ Ehefrau noch geschützt, in Dresden. Nach den Luftangriffen vom 13./14. Februar 1945 tauchte er unter und erlebte so das Kriegsende.

Quelle: Victor Klemperer. Die Tagebücher 1933-1945. Kommentierte Gesamtausgabe, hg. Walter Nowojski unter Mitarbeit von Christian Löser, Berlin 2007.

Victor Klemperer (1) – Die Tagebücher und die Novemberpogrome

Zu den Menschen, die die Pogromereignisse vor Augen hatten und selbst als ‚Juden‘ verfolgt waren, gehörte auch der Dresdner Romanist Victor Klemperer. Als Professor von den Nationalsozialisten wegen seiner jüdischen Herkunft entlassen – Klemperer hatte sich 1912 taufen lassen – erfuhr und beobachte er die zunehmende Zurücksetzung und Verfolgung. Sein LTI und die Tagebücher geben hiervon Zeugnis.

Die Tagebücher als Quelle

In seinen Tagebüchern geht Klemperer auch auf die Dresdner Pogromereignisse ein. So schreibt er am 22. November 1938:

„Erst war es wohl der Wille, ein Stückchen in der Arbeit vorwärtszukommen, ehe ich wieder eine Tagebuchnotiz machte, und dann kam Unheil über Unheil, man kann wohl schon sagen: Unglück. Erst Krankheit, dann der Autounfall, dann im Anschluß an die Pariser Grünspan-Schiessaffaire die Verfolgung, seitdem das Ringen um Auswanderung“ (Victor Klemperer: Die Tagebücher, S. 1150).

Und an anderer Stelle unter demselben Datum:

„Als ich […] noch einmal nach Pirna fuhr, war inzwischen die Grünspanaffaire erfolgt. Vor der Fahrt hatte ich eben bei [Jordan] Natcheff gehört, dass man die Nacht zuvor spontan die hiesige Synagoge niedergebrannt u. jüdische Fensterscheiben eingeschlagen habe. Ich brauche die historischen Ereignisse der nächsten Tage, die Gewaltmassnahmen, unsere Depression nicht zu schildern. Nur das Engpersönliche und conkret Tatsächliche“ (Victor Klemperer: Die Tagebücher, S. 1155).

Hausdurchsuchung in Dölzschen

Und persönlich betroffen war das Ehepaar Klemperer dann am 11. November 1938: Es mussten eine Hausdurchsuchung durch zwei Gendarmen und einen Zivilisten über sich ergehen lassen; Victor Klemperer wurde zunächst mit aufs Gericht am Münchner Platz genommen, kam aber noch am selben Tag wieder frei.

Quelle: Victor Klemperer. Die Tagebücher 1933-1945. Kommentierte Gesamtausgabe, hg. Walter Nowojski unter Mitarbeit von Christian Löser, Berlin 2007.

Aus der Ortschronik von Zwönitz: Die Verhaftung von Karl Cohn am 10. November 1938

Nicht selten nehmen sächsische Ortschroniken, die von Heimatforschern und Historikern vor Ort erstellt wurden, für das Jahr 1938 auch Bezug auf die Pogrome. Dies ist auch für Zwönitz der Fall (Schneider, Uwe: Chronik der Stadt Zwönitz 960-1945. Ein Handbuch, 2. Aufl., Zwönitz 2016).

Die Chronik berichtet nicht nur von der Verschärfung der antisemitischen Propaganda ab Jahresbeginn. Vielmehr führt sie auch auf, dass am 10. November 1938 der „einzige in Zwönitz lebende, und mit einer deutschen Frau verheiratete kinderlose Jude Karl Cohn […] verhaftet und ins KZ-Buchenwald überführt“ worden sei (S. 389).

Das Leben und die Verfolgung von Karl Cohn (1887-1980)

Cohn, der am Ersten Weltkrieg teilgenommen hatte, war 1922 zum evangelisch-lutherischen Glauben konvertiert. Er arbeitete für die Pappenfabrik Koch. Es sei dem Einsatz seines Arbeitgebers Hellmut Koch zu verdanken gewesen, dass Cohn am 1. Dezember 1938 wieder nach Zwönitz zurückkehren konnte. Ab September 1941 musste er dann den gelben Stern tragen und sich am 11. Februar 1943 auf eigene Rechnung ins Konzentrationslager Theresienstadt begeben.

Er kehrte im Juni 1945 nach Zwönitz zurück, wo er bis zu seinem Tod lebte (S. 389, 402, 408).

Die Wahrnehmung der Pogrome im Ausland: Paul Mühsam

Die Berichte über die Pogromereignisse im Deutschen Reich verbreiteten sich schnell auch ins Ausland. Der schon 1933 nach Palästina emigrierte Rechtsanwalt Paul Mühsam (1876-1960) aus Görlitz notierte seine Wahrnehmungen unter dem 10. November 1938 in seinem Tagebuch:

„Entsetzliche Judenpogrome in Deutschland. Zahllose Synagogen verbrannt. Massenverhaftungen. Strafe von 1 Milliarde Mark. Mord und Raub unter dem scheinheiligen Vorwand einer Sühne für das Attentat von Grünspan auf den Botschaftsattaché vom Rath. Im Radio Judenhetze schlimmster Art. Das Regime, das tausende von Juden gemartert, getötet und zum Selbstmord getrieben hat, regt sich über die Reaktion eines Gequälten [Anm.: gemeint ist hier Grynszpan] auf, schiebt die Schuld heuchlerisch dem ‚Weltjudentum‘ in die Schuhe und macht die völlig schuldlosen Juden Deutschlands dafür verantwortlich. Mittelalter schlimmster Art.“ (Quelle: Mühsam, Paul: Mein Weg zu mir. Aus Tagebüchern, Zweitdruck der 1. Aufl., Konstanz 1992, S. 196).

Versuch einer Deutung der Pogrome aus dem Exil

Nur wenige Tage versuchte sich Mühsam in einer Einordnung der Ereignisse, die er unter dem 22. November in seinem Tagebuch notierte: „Die Krankheit, an der die Führerschicht Deutschlands leidet, heißt moral insanity, ein Fehlen jedes Ethos. … Darum gilt es als richtiger, Unrecht zu tun statt Unrecht zu leiden, für alles Störende rächt man sich, den nicht Zugehörigen verspottet man, den Gleichstehenden haßt man, den Höherstehenden beneidet man, den Tieferstehenden verachtet man.“ (Quelle: ebd., S. 196).

Dass Mühsam nach mehrjährigem Ringen Ende 1938 von den Behörden in Palästina endlich eingebürgert wurde, führte er ebenfalls auf die Novemberpogrome zurück, die den Ausschlag für den positiven Bescheid gegeben hätten (ebd., S. 197).

Die Berichte der Zeitzeugen – digitalisierte Quellen zu den Novemberpogromen

Viele der als ‚Juden‘ Verfolgten, denen die Emigration gelang, dokumentierten bereits kurz nach ihrer Flucht oder später in ihren Lebenserinnerungen ihre Erlebnisse während der Pogromnacht. Viele dieser Berichte gelangten vor allem in England, den Vereinigten Staaten und Israel in die Archive großer Forschungseinrichtungen zur jüdischen Geschichte und zum Holocaust.

Die Wiener Library in London

1933 gründete der aus Deutschland emigrierte Alfred Wiener (1885-1964) in Amsterdam das ‚Jewish Central Information Office‘, das über die nationalsozialistische Judenverfolgung Dokumente zusammentrug. 1939 wurde die Bibliothek nach London verlegt und firmiert heute unter dem Namen Wiener Library als eine der namhaftesten Wissenschaftsinstitutionen zur Holocaustforschung.

Die Zeugenberichte der Verfolgten

Zu den Dokumenten in der Wiener Library zählen auch über 350 Augenzeugenberichte zu den Novemberpogromen im Deutschen Reich, die Wiener in Amsterdam sammelte und mit nach London nahm. Sie geben auch Auskunft zu den Pogromen in Sachsen.

So befindet sich unter den Augenzeugenberichten auch einer, der die Leipziger Pogrome mit all ihrer Gewalt und Zerstörung schildert.

Das Dokument findet sich unter: http://wienerlibrarycollections.co.uk/novemberpogrom/testimonies-and-reports/b301-b350/b.326

Es ist in deutscher Sprache und englischer Übersetzung kostenfrei verfügbar.

Ein Thoramantel mit Brandschaden in Dresden

Obwohl die während der Pogrome angegriffenen Einrichtungen der jüdischen Gemeinde in Sachsen zerstört, niedergebrannt und geplündert wurden, überstanden einzelne Gegenstände und religiöse Kultobjekte die Zeit des Nationalsozialismus.

Eine Besuchergruppe berichtet vom Besuch der Dresdner Synagoge (Fiedlerstraße)

Eines dieser Objekte sahen 1982 Konfirmanden der Friedenskirche in Radebeul, die mit ihren Pfarrern Gehrt, Lewek und Döbler die Dresdner Synagoge auf der Fiedlerstraße besuchten. Helmut Aris führte in die Besonderheiten und Geschichte des Judentums wie auch der Dresdner jüdischen Gemeinde ein. Ein Bericht der Konfirmanden über den Besuch kam im Nachrichtenblatt der Jüdischen Gemeinde von Berlin und des Verbandes der Jüdischen Gemeinden in der Deutschen Demokratischen Republik zum Abdruck (9/1982, S. 12).

Der Thoramantel

Aris berichtete den jungen Besuchern auch von der Zeit der Verfolgung zwischen 1933 und 1945, von der Zerstörung der Dresdner Synagoge und der Rettung des Davidsterns. Und Aris zeigte den Konfirmanden noch mehr, wie sie schreiben: „Es machte uns betroffen, als wir den größten und schönsten Schatz der Synagoge sahen: die Thorarollen. Eine von ihnen war in einen Mantel gehüllt, der noch Brandschäden aus der Kristallnacht von 1938 zeigte. Wir heute können es uns gar nicht mehr vorstellen, daß es eine Zeit gab, in der Menschen gehaßt und verfolgt wurden, nur weil sie Juden, weil sie Menschen eines bestimmten Volkes waren.“

Fotografien in den Zeitungen von 1938: Eine Leerstelle mit Ausnahme (II)

Obwohl nur eine Aufnahme von den Pogromen in der sächsischen Lokalpresse vom November 1938 bekannt ist, begleiteten anscheinend auch Pressefotografen die Gewalt gegen als ‚Juden‘ verfolgte Menschen.

Der Fall Görlitz: Erwähntes Foto, aber kein Bild

Einen Hinweis darauf bietet die Oberlausitzer Tagespost, die am 11. November 1938 von den Görlitzer Pogromereignissen, die sich auch gegen ‚jüdische‘ Geschäfte richteten. Darin heißt es unter anderem:

„In einigen Judenläden der Stadt übernahmen einige Görlitzer freiwillige ‚Aufräumungsarbeiten‘, um dadurch ihren Abscheu über das Pariser Verbrechen Ausdruck zu verleihen. So in dem jüdischen Ramschbasar Horn, Steinstraße, wo in den Auslagen – wie aus unserer Aufnahme hervorgeht – das oberste zu unterst gedreht wurde. Außerdem wurden weitere Judenläden in der Bismarckstraße und am Grünen Graben in Mitleidenschaft gezogen.“

Auch, wenn hier deutlich die Anfertigung und das Vorhandensein genannt wird: Der Artikel erschien ohne Fotografien.

Die Görlitzer Fotografien

Dass es die Fotografien aber offensichtlich gab, zeigen die beiden heute bekannten Aufnahmen aus Görlitz: Zu sehen sind darauf zum einen das zerstörte Textilhaus Fischer auf der Bismarckstraße 29, zum anderen wohl eben genau jene, im Zeitungsartikel erwähnte Fotografie, die die durcheinandergeworfenen Auslagen des Konfektionshauses J. Horn in der Steinstraße zeigt.

Beide Aufnahmen sind u. a. abgedruckt in: Hartstock, Erhard; et al. (Hg.): Juden in der Oberlausitz, 2. Aufl., Bautzen 2008, S. 122.