Category: Bruchstücke 1938|2018

Brennende Synagoge und Kunst (3): Die Synagoge in Dresden

Gerade für Dresden existieren mehrere künstlerische Auseinandersetzungen mit dem Pogrom, die den alten und den 2001 eingeweihten Synagogenneubau verbinden. Eine dieser Arbeiten stammt von Andreas Bosse. Sie trägt den Titel „Ein Haus der Andacht allen Völkern“.

Semper- und neue Synagoge

Die Farbzeichnung zeigt die 1840 geweihte Sempersynagoge – mit einem tatsächlich nicht vorhandenen großen Davidstern auf der Hauptkuppel – und die Neue Synagoge vereint. Am linken Bildrand findet sich auf der Zeichnung die 1975 eingeweihte Gedenkstele am Hasenberg mit ein abgelegten Kranz, stellt also auch die direkte Verbindung zur Zerstörung des alten Synagogenbaus 1938 und zur Dresdner Gedenkkultur her.

Aus urheberrechtlichen Gründen kann eine Abbildung der Zeichnung hier nicht erfolgen. Ein Abdruck findet sich in: Gesellschaft zur Förderung einer Gedenkstätte für die Sophienkirche Dresden e. V. (Hg.): Bilder zum Dresdner Gedenkweg. Kalenderblätter für das Jahr 2010, Dresden 2009, [Oktober].

Brennende Synagoge und Kunst (2): Die Synagoge in Chemnitz

Eine besondere Form der Dokumentation der Zerstörung der Chemnitzer Synagoge am Stephansplatz nach dem Pogrom bildet eine Zeichnung von Herbert Röthing.

Ein Zeichenlehrer hält den Abriss fest

Röthing, der Ober- und Zeichenlehrer war, stammte aus Dresden und hatte nach Chemnitz geheiratet. Er lebte in der Eubaer Straße am anderen Ende der Stadt.

Den Abbruch der Synagogenruine hielt Röthing am 14. November 1938 in einer Zeichnung fest. Die genauen Umstände sind mir bislang nicht bekannt. Seine Arbeit ist die früheste mir für Sachsen bekannte Auseinandersetzung mit den Pogromen. Sie gibt zugleich als Zeitdokument Einblick in den Stand der Abrissarbeiten.

Die Zeichnung kann zur Zeit betrachtet werden unter: http://www.altes-chemnitz.de/chemnitz/synagoge.htm

Pogromprozesse (7): Bautzen 1949

1949 kam es noch zu zwei weiteren Verfahren gegen Pogromverantwortliche in Bautzen. Die 5. Strafkammer des Landgerichts verurteilte auch den flüchtigen Dachdecker Richard Haufe Anfang Juni 1949 zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus. Vermögensentzug und Sühnemaßnahmen wurden angeordnet.

Der Haupträdelsführer

Den als Haupträdelsführer der Bautzener Pogrome angesehenen ehemaligen SA-Sturmführer Georg Rafelt verurteilte die 2. Große Strafkammer des Landgerichts im Oktober 1949 als Hauptverbrecher zu sechs Jahren Zuchthaus. Drei Jahre neun Monate Internierungszeit sowie fünf Monate Untersuchungshaft wurden ihm hierbei angerechnet.

Insgesamt besteht bei der Auswertung der Strafverfahren gegen Pogromtäter auch für Bautzen noch weiterer Forschungsbedarf.

Zu alledem: Schulz, Hagen: Zuhause in Bautzen … – Leben und Schicksal Bautzener Juden (1871-1945), in: 12. Jahresschrift [Stadtmuseum Bautzen] (2006), S. 7-128, hier: S. 67.

Pogromprozesse (6): Bautzen 1949

Nach einem früheren Prozess wurde vom 14. bis 16. Februar 1949 gegen die mutmaßlichen Rädelsführer des Bautzener Pogroms vor der 5. Strafkammer des Landgerichts verhandelt. 37 Zeugen wurden gehört, die VVN trat als Nebenkläger auf.

Neun Angeklagte

Von den neun Verfahren wurden zwei eingestellt, die anderen zu teils hohen Strafen verurteilt: Der Klempner Arthur Domschke erhielt sechs Jahre Zuchthaus, der Dachdeckermeister Erich Menzel, der Hilfsarbeiter Walter Bialucha, der ehemalige Gastwirt Fritz Dietrich, der Bauarbeiter Paul Hornuff, der Steinsetzer Erich Huschmann jeweils fünf und der Kaufmann Hans Walther drei Jahre Gefängnis.

Gemäß den Richtlinien des Alliierten Kontrollratsgesetzes Nr. 10, das in der Sowjetischen Besatzungszone als gültiges Recht in Kraft gesetzt worden war, wurden zudem Sühnemaßnahmen verhängt und die Vermögen von Domschke, Menzel, Dietrich und Walther eingezogen.

Zu alledem: Schulz, Hagen: Zuhause in Bautzen … – Leben und Schicksal Bautzener Juden (1871-1945), in: 12. Jahresschrift [Stadtmuseum Bautzen] (2006), S. 7-128, hier: S. 67.

Pogromprozesse (5): Bautzen 1947

Im Dezember 1947 wurde in Bautzen Anklage gegen den Arbeiter Johannes Köckritz und den Schlosser Kurt Saupe wegen Beteiligung am örtlichen Pogrom erhoben. Der Prozess fand vor der 2. Kleinen Strafkammer des Landgerichts statt.

Anklage wegen Pogromverbrechen

Neben anderen nationalsozialistischen Verbrechen wurde den Angeklagten von der Staatsanwaltschaft die aktive Mittäterschaft vorgeworfen.

Der ehemalige SA-Scharfführer Köckritz erhielt als Urteil zwei Jahre Gefängnis. Saupe wurde zu drei Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Dass er als SA-Sanitäter auch politische Gegner versorgt hatte, wirkte sich strafmildernd aus.

Zu alledem: Schulz, Hagen: Zuhause in Bautzen … – Leben und Schicksal Bautzener Juden (1871-1945), in: 12. Jahresschrift [Stadtmuseum Bautzen] (2006), S. 7-128, hier: S. 66 f.

Pogromprozesse (4): Meißen 1949

Zwischen dem 11. und 13. April 1949 verhandelte die Große Strafkammer des Landgerichts Dresden wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen den Metalldreher und ehemaligen SS-Hauptsturmführer Karl Heimann im ‚Hamburger Hof‘ in Meißen.

Kumulation der Verbrechen

Dem 58-jährige Heimann wurden neben seiner Beteiligung an Geschäfts- und Lokalzerstörungen in Meißen und Radeburg während der Novemberpogrome von 1938 weitere politisch motivierte Gewaltdelikte, vor allem aber Verbrechen als Kompanieführer in den Konzentrationslagern Flossenbürg, Gusen und Auschwitz zur Last gelegt.

Zwanzig Jahre Zuchthaus

Auf der Grundlage des Alliierten Kontrollratsgesetzes Nr. 10 und der Kontrollratsdirektive Nr. 38 verurteilte die Kammer den Angeklagten zu zwanzig Jahren Zuchthaus und Sühnemaßnahmen. Zur Verhängung der Todesstrafe kam es nicht, da ihm keine eigenen Morde nachgewiesen werden konnten.

Heimann nahm das Urteil an, das damit rechtskräftig wurde. Als Nebenklägerin trat in der Verhandlung die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) auf.

Die Gastwirtschaft ‚Waldrose‘ in Radeburg-Oberrödern – Nachtrag

Wie bereits früher geschrieben, wurde am 10. November 1938 auch die kleine Gastwirtschaft ‚Waldrose‘ in Radeburg-Oberrödern zerstört.

Hinweise auf die Täter

Hinweise auf die Täter liefert ein Prozessbericht in der ‚Sächsischen Zeitung‘ vom Frühjahr 1949, in dem über die Verhandlung gegen den ehemaligen SS-Hauptsturmführer Kurt Heilmann in Meißen berichtet wird. Heilmann wurde auch für seine Beteiligung an den Novemberpogromen zur Rechenschaft gezogen und zu insgesamt zwanzig Jahren Zuchthaus verurteilt.

Im Prozessbericht heißt es, dass Heimann an der Zerstörung von Geschäften und Lokalen in Meißen und Radeburg beteiligt gewesen sei. Der gelernte Metalldreher gehörte also offensichtlich zu den Tätern, die die Gastwirtschaft ‚Waldrose‘ zerstörten.

Möglicherweise finden sich in Prozessunterlagen dazu noch weitere Hinweise.

Pogromprozesse (3): Dresden 1947-1949

Pirna

Das Landgericht in Dresden verhängte im Oktober 1947 eine Gefängnisstrafe von fünf Jahren gegen Johannes B. aus Pirna wegen Pogromtaten und Denunziation. Die Strafe wurde nach Revision noch in eine Zuchthausstrafe umgewandelt.

Neustadt und Königstein

Auch Walter B. aus dem benachbarten Neustadt wurde 1948 unter anderem wegen seiner Beteiligung an Pogromhandlungen zu eineinhalb Jahren Internierung verurteilt. Der Besitzer einer Autoreparaturwerkstadt in Königstein, Max G., erhielt wegen Denunziation und als ‚Pogromgewinnler‘ im gleichen Jahr acht Jahre Zuchthaus.

Verurteilung in Abwesenheit

Der in die westlichen Besatzungszonen übergesiedelte Walter H., der als Herausgeber der ‚Sächsischen Elbzeitung‘ mit zum Pogrom aufgerufen hatte, wurde 1949 mit Vermögensentzug belegt.

Pogromprozesse (2): Leipzig 1946/1947

Nach dem ersten großen Prozess im November 1945 in Leipzig klagte die Staatsanwaltschaft beim Landgericht im Juli 1946 einen LKW-Fahrer B. an. Diesem wurde die Organisation der Inbrandsetzung der Synagoge in der Gottschedstraße zu Lest gelegt, für die er zwanzig Litern Benzin organisiert habe. B. wurde zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt.

Urteile wegen der Friedhofszerstörung

Wilhelm Kempeni wurde wegen der Plünderung der Synagoge, körperlicher Gewalt gegen den Inspektor des Neuen Jüdischen Friedhofs sowie, zusammen mit dem ehemaligen SA-Mann Hans Straube, der Inbrandsetzung der Friedhofsgebäude zu 15 Jahren verurteilt. Im Mai 1947 erging nochmals Anklage gegen 16 Personen, die nach einer NSDAP-Ortsgruppenversammlung am Morgen des 10. November 1938 durch Neu-Gohlis marschierten, in Wohnungen einbrachen und etwa neunzig als Juden verfolgte Menschen in der Turnhalle einer katholischen Schule einsperrten.

Strafverfolgung von Denunzianten

Zudem kam es 1946 und 1947 zu Prozessen wegen der Denunziation, wegen derer auch Kritiker der Pogromgewalt sich polizeilicher Maßnahmen und Haft ausgesetzt sahen.

Pogromprozesse (1): Leipzig 1945

Zu den Themenfeldern, die im Zusammenhang mit den Pogromereignissen noch weiterer systematischer Forschung bedürfen, zählen die nach Kriegsende gegen Pogromtäter angestrebten und durchgeführten Prozesse.

Erster Prozesse dieser Art in Deutschland

Schon im Herbst 1945 verhandelte das Leipziger Schöffengericht gegen sechs NSDAP-Block- und Zellenleiter, den Betriebsangestellten Heinrici, den Buchbinder Robert Woserau, die Schneider Walter Taubert und Reinhold Steiner, den kaufmännischen Angestellten Rudolf Schreck und den Offsetdrucker Paul Schuster. Den Angeklagten wurde schwerer Landfriedensbruchs zur Last gelegt, weil sie im Bereich ihrer NSDAP-Ortsgruppe Osten-A am 10. November 1938 die Einrichtungen von zwei Geschäften zerstört, auf die Straße geworfen und geplündert hätten.

Der Urteilsspruch

Die Angeklagten versuchten ihre Beteiligung weitestgehend herunterzuspielen; einer berief sich darauf, Befehle ausgeführt zu haben. Schreck, der den Zerstörungstrupp 1938 nach Aussage der Mitangeklagten organisiert habe, leugnete eine Beteiligung. Das Gericht verurteilte Schreck zu sieben, Woserau zu vier, Heinrici, Schuster und Taubert zu je drei Jahre Zuchthaus; Steiner wurde wegen Landfriedensbruchs zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Die Untersuchungshaft kam wegen fehlender Aussagebereitschaft nicht in Anrechnung.

Der Zeitungsbericht über den Prozess erschien in der ‚Volksstimme‘ (15.11.1945). Der Verfasser hob ausdrücklich hervor, dass es sich dabei um das erste Verfahren dieser Art in ganz Deutschland handle.

Für den Hinweis auf den Prozess und den Artikel in der ‚Volksstimme‘ danke ich Prof. Mike Schmeitzner, Hannah-Arendt-Institut Dresden.