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Die Sprache der Pogrome (1): „KdF“

Mit den Pogromen einher gingen sprachliche Wortschöpfungen, die in vielen Fällen das Geschehene beschönigten, in jedem Fall aber für den Volksmund zugänglich machten.

Heinrich Grüber und „KdF“

Neben Begriffen wie ‚Reichskristallnacht‘ nahm der Volksmund sich auch bestimmter Abkürzungen an, die für die Sprache des Dritten Reiches – ausführlich hat hierzu Victor Klemperer in seiner LTI geschrieben (Klemperer, Victor: LTI. Notizbuch eines Philologen, 23. Aufl., Stuttgart 2009) – typisch waren.

Der seinerzeit in Berlin um Hilfe für als ‚Juden‘ Verfolgte tätige Pfarrer Heinrich Grüber erinnerte sich im Kontext der Pogrome etwa an die Abkürzung „KdF“, die eigentlich für die nationalsozialistische Organisation ‚Kraft durch Freude‘ stand. Er schrieb dazu, dass der Pöbel die Gelegenheit der Pogrome genutzt habe: Er „kleidete sich neu ein: KdF – Kauf durchs Fenster – das war die Parole, nach der viele handelten, die später bereit waren, ihre antifaschistische Gesinnung zu bezeugen, als es dafür wieder was zu erben galt“ (Grüber, Heinrich: Erinnerungen aus sieben Jahrzehnten, 2. Aufl., Köln, Berlin 1968, S. 109).

Was Grüber mit „Kauf durchs Fenster“ – KdF – schilderte, waren die Plünderungen der während der Pogrome angegriffenen Geschäfte, bei denen sich nicht nur die Täter, sondern auch die Zuschauer vielfach bereicherten. Auch der Begriff der ‚KdF-Woche‘ soll in diesem Kontext gebraucht worden sein (vgl. Harden, Harry: Als wir alle Nazis waren. Notizen eines Zeitgenossen, Öhringen 1953, S. 101).

Hilfe für die Verfolgten (3): Der Arzt Bruno Kochmann in Frankenberg erhält eine Warnung

Seit 1926 praktizierte der 1899 geborene Arzt Bruno Kochmann in Frankenberg. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde er zunehmend entrechtet; im Sommer 1938 wurde ihm die Approbation entzogen.

Warnung vor der bevorstehenden Verhaftung

Auch, wenn es nicht ganz genau zu klären ist, so ist doch sicher, dass Kochmann während der Pogromereignisse vor seiner bevorstehenden Verhaftung gewarnt wurde. Eine der Erzählungen darüber lautet, dass er kurz vor Mitternacht mutmaßlich durch den Frankenberger Fuhrunternehmer Kurt Richter aufgefordert worden sei, sofort zu verschwinden.

Möglicherweise war es aber auch ein Zettel seiner Krankenschwester, den Kochmann am Nachmittag des 10. November 1938 an seiner Wohnungstür fand und der ebenfalls vor der bevorstehenden Verhaftung warnte.

Flucht des Ehepaars Kochmann

Das Ehepaar Kochmann floh daraufhin nach Berlin. Im Dezember 1938 gelangten sie nach Haifa, kehrten jedoch noch einmal nach Deutschland zurück, um im Mai 1939 endgültig nach Palästina auszuwandern. Dort arbeitete Krochmann als Arzt.

Ehrung in Frankenberg

Im Oktober 1962 erhielt die Poliklinische Ambulanz in Frankenberg den Namen Dr. Kochmann. Auch eine anliegende Straße wurde nach ihm benannt.

Siehe zur Biografie von Bruno Kochmann: Nitsche, Jürgen: Dr. Bruno Kochmann – jüdischer Arbeiterarzt in Frankenberg, in: Jeromin, Reinhard (Hg.): Frankenberg. Geschichte in Realität, Wahrnehmung und Bewußtsein (III), Leipzig 2015, S. 35–50.