Übergriffe vor dem Pogrom: Annaberg 1935

Die Gewalt gegen als Juden verfolgte Menschen in Sachsen brach sich nicht erst mit den Novemberpogromen von 1938 Bahn. Zunächst kam es insbesondere nach der ‚Machtübernahme‘ durch die Nationalsozialisten zu Übergriffen gegen die Verfolgten – etwa im Rahmen des ‚Boykotts‘ ‚jüdischer‘ Geschäfte Anfang April 1933 oder Verdrängung aus dem Kultur- und Staatsapparat (dazu u. a.: Heer, Hannes; Kesting, Jürgen; Schmidt, Peter: verstummte stimmen. Die Vertreibung der „Juden“ und „politisch Untragbaren“ aus den Dresdner Theatern 1933 bis 1945, Berlin 2011).

Zahlreiche antisemitische Maßnahmen erfolgten parallel dazu und auch in der Folgezeit auf dem Verordnungs- oder Gesetzgebungsweg. Viele nahmen die Jahre 1934 bis 1937/38 deshalb auch als eine Phase der scheinbaren Ruhe wahr, die allerdings oft trügerisch war.

Präsenz der Angst

Immer wieder kam es zu einzelnen antisemitischen Übergriffen gegen Geschäfte und das Eigentum von Verfolgten, die die Gefahr der Verfolgung und körperlichen Gewalt offenbarten (vgl. auch der Fall des Mittweidaer Kaufmanns Herbert Bach 1937). Ein Zeitungsbericht der Polizeidirektion Annaberg, abgedruckt im ‚Eibenstocker Tageblatt‘, hielt am 17. August 1935 eine solche antisemitische Aktion fest.

In dem Bericht hieß es: „In der Nacht vom Sonnabend zum Sonntag sind die Schaufenster jüdischer Geschäfte in hiesiger Stadt von zurzeit noch unbekannten Tätern bemalt und beschmiert worden. Weiter sind in letzter Zeit Fenster und Türen jüdischer Einwohner und deutscher Bürger mit Zetteln verschiedenen Inhalts beklebt worden.“

Das Besondere des Zeitungsartikels war – neben der Tatsache, dass darüber überhaupt berichtete wurde –, dass die Polizeidirektion die Taten verurteilte und Strafverfolgung ankündigte. Begründet wurde dies damit, dass die „Bekämpfung des Judentums […] von Staat und Bewegung mit anderen Mittel geführt“ würde.

Zäsur und Kontinuität

Die Pogrome vom November 1938 schließlich verdichteten die antisemitischen Übergriffe in kollektiver Form. Sie waren mithin natürlich eine Zäsur, standen jedoch gerade auch mit Blick auf die Verschärfung der Verfolgung in den Vormonaten – wie beim ‚Anschluss‘ Österreichs oder während der ‚Sudetenkrise‘ – als auch die gewählten Mittel in einer Kontinuitätslinie.

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