Antisemitische Karikaturen in sächsischen Tageszeitungen im Kontext der Pogrome (1): Ihr könnt sie alle haben

Die antisemitische Propagandawelle nach dem Attentat auf den deutschen Botschaftsmitarbeiter vom Rath in Paris sowie in der Folge der Pogromausschreitungen beschränkte sich nicht allein auf Artikel und wenige einschlägige Fotografien. In den sächsischen Tageszeitungen kamen vielmehr auch verschiedene antisemitische Karikaturen zum Abdruck, die zur Rechtfertigung der nationalsozialistischen Judenverfolgung beitragen sollten.

‚Trost für einen Judenfreund‘

Eine dieser Karikaturen, die mit Weltbild-Scherer (M.) gezeichnet ist, kam unter anderem in der ‚Weißeritz-Zeitung‘ vom 17. November 1938 – dem Tag der Beisetzung vom Raths in Düsseldorf – zum Abdruck. Unter dem Titel ‚Trost für einen Judenfreund‘ ist ein SS-Mann (schwarzer Binder) zu sehen, der einem weinenden Uncle Sam mit den Worten „Nicht weinen, Onkel Sam, du kannst sie alle, alle haben!“ aufmunternd auf die Schulter klopft.

Die Vereinigten Staaten hatten unter anderem mit dem Abzug ihres Botschafters gegen die Pogromgewalt im Deutschen Reich protestiert. Gleichwohl lagen die Hürden für eine Einwanderung von als Juden Verfolgten in die USA hoch.

 

Auswanderung als Lösung der ‚Judenfrage‘ – internationale Restriktionen

Die Karikatur griff diesen Widerspruch insofern auf, als dass sie einerseits die Bereitschaft und den Wunsch einer Auswanderung der noch in Deutschland lebenden Verfolgten nach Amerika als Lösung der ‚Judenfrage‘ betonte. Andererseits nahm sie Bezug auf die amerikanischen Restriktionen, indem sie die Verantwortung der von deutscher Seite gewünschten Lösung der US-Regierung zuschoben. Die Zeichnung zeigt deshalb auch, dass und wie die deutsche Propaganda die auch nach den Pogrome in den meisten Fällen restriktive internationale Migrationspolitik für ihre Zwecke nutzte.

Über den Urheber der Karikatur habe ich bislang noch keine weiteren Informationen gewinnen können.

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