Nicht nur erwachsene Menschen waren in die Pogromgewalt eingebunden, sondern auch Kinder wurden Zeugen und zum Teil auch Mittäter. Für Sachsen sind so allein zahlreiche Fälle belegt, in denen Schulkinder von ihren Lehrern zu den Orten des Pogroms geführt wurden, um die Auswirkungen des propagierten ‚spontanen Volkszorns‘ gegen die Juden zu sehen – so etwa in Dresden, Großröhrsdorf und Leipzig. In anderen Orten, wie etwa in Bautzen, erhielten Schulkinder schulfrei, damit sie sich selbst ein Bild machen konnten.
Kinder als Täter
Bereits in seiner Arbeit zu den Novemberpogromen in Westdeutschland und Berlin hat Dieter Obst auf die Rolle von Kindern als Täter hingewiesen, die sich mit antisemitischen Spruchchören bis hin zu direkten Zerstörungsmaßnahmen beteiligten. Obst wies daraufhin, dass Lehrer oder Führer der NSDAP und ihrer Gliederungen hier durch ihre Autorität die jungen Menschen in die Gewaltaktionen einbanden und instrumentalisierten (vgl. Obst, Dieter: „Reichskristallnacht“. Ursachen und Verlauf des antisemitischen Pogroms vom November 1938, Frankfurt am Main 1991, S. 263-270).
In Sachsen waren es vor allem Angehörige der Hitlerjugend (HJ), die verschiedentlich bei den Pogromen als (Mit-)Täter in Erscheinung traten.
Musikzug der Hitlerjugend
In Dresden fand am Abend des 9. November 1938 eine antisemitische Kundgebung statt, auf der der NSDAP-Kreisleiter Hellmuth Walter und der ehemalige Gauleiter von Halle-Merseburg Paul Hinkler die versammelten Mitglieder der NSDAP und ihrer Gliederungen mit antisemitischen Reden aufhetzten. Anschließend kam es zu einem ‚Protestzug‘ durch die Stadt, bei der die Gewalt gegen ‚jüdische‘ Geschäfte wohl bereits einsetzte. Laut Bericht der ‚Dresdner Neueste Nachrichten‘ vom 10. November 1938 führte den Marsch der Musikzug des HJ-Bannes 100 an. Inwieweit sich Mitglieder des Banns auch an den Ausschreitungen in Dresden beteiligten, ist bislang nicht bekannt.