Die meisten Zeitzeugen, die mir heute noch von ihren Erlebnissen in den Tagen der Novemberpogrome berichten können, sind hochbetagt. Ich bin unendlich dankbar, dass sie mir doch in so vielen Fällen ein Ohr für meine Fragen schenken und mich in ihre Lebensgeschichten Einblick nehmen lassen.
Die Kinder von 1938
Viele der Menschen, mit denen ich über die Pogrome spreche, waren 1938 noch Kinder, im besten Falle schon 13 oder 14 Jahre alt. Die jüngsten waren gerade einmal vier oder fünf Jahre. Und dennoch haben sich die Erlebnisse vom November 1938 gleichsam in ihr Gedächtnis ‚eingebrannt‘.
Bruchstücke als Teil der Rekonstruktion der Ereignisse
Oft sind es nur kleine Erinnerungssplitter, die im Gedächtnis festgehalten sind: Der Anblick eines brennenden Gebäudes etwa, ein besonderer Ausspruch der Eltern („Die Synagoge brennt“) oder eine andere Wahrnehmung. Auch, wenn sie den Zeitzeugen heute unwichtig erscheinen mögen, so sind es doch gerade diese Erinnerungssplitter, die neue Fragen oder Einsichten in die Pogromereignisse erlauben.
Aus der Sicht eines Jungen
Eine Veränderung nahm auch ein damals gerade zehn Jahre alt gewordener Junge in Dresden wahr, als er wie an den meisten Sonntagen wohl am 14. November 1938 mit in seine Werkstatt in der Nähe des Dresdner Landgerichts begleitete. Auf dem Nachhauseweg durch die Johannstadt, den Vater und Sohn mit dem Rad zurücklegten, habe er an einem Eckgeschäft, vielleicht sogar an zwei Geschäften, mit Brettern vernagelte Schaufenster gesehen. Wo genau, daran erinnerte sich der heute 89-Jährige aber nicht mehr. Gleichwohl bietet diese Erinnerung ein Bruchstück, um auch die Zerstörung der Geschäfte von als ‚Juden‘ Verfolgten für Dresden weiter aufzuarbeiten.
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