Bis heute finden sich in Zeitungen am Ende eines Jahres oder zu Beginn des neuen Rückblicke auf die vergangenen Monate. Auch auf das Jahr 1938 blickten die Kommentatoren zurück. Im Dresdner ‚Freiheitskampf‘ war es der sächsische Gauleiter Martin Mutschmann persönlich, der resümierte und auch auf die in seinen Augen gelöste ‚Judenfrage‘ einging.
Ein Rückblick für Leipzig
In Leipzig nahm Erich Schwabl im ‚Leipziger Jahrbuch‘ von 1940 eine Rückschau auf die Jahre 1938/39 vor (S. 205-232). Er sparte die Pogromereignisse dabei nicht aus, deutete sie aber ganz im Sinne der antisemitischen nationalsozialistischen Propaganda:
„Der 9. November wurde als Gedenktag an die Gefallenen der Bewegung, wie überall im Reich, so auch in der Reichsmessestadt in zahlreichen Veranstaltungen der Ortsgruppen der NSDAP. würdig begangen. Die Alte Garde wohnte am Abend dieses Tages traditionsgemäß auf Einladung des Oberbürgermeisters der Aufführung von Richard Wagners Oper ‚Der fliegende Holländer‘ bei. In den späten Abendstunden traf die Nachricht ein, daß in Paris der Gesandtschaftsrat vom Rath an den Folgen der Schüsse, die ein hergelaufener Jude am 7. November auf den völlig Ahnungslosen abgegeben hatte, gestorben war. Ungeheure Erregung und Empörung über diese feige Mordtat bemächtigte sich weiter Kreise unserer Stadt. Der Polizeipräsident ordnete die sofortige Schließung aller jüdischen Geschäfte an, was mit großer Befriedigung von der Bevölkerung aufgenommen wurde. Inzwischen ist durch Maßnahmen der Reichsregierung dafür gesorgt, daß das Wirtschaftsleben der Reichsmessestadt ein für allemal von der Judenplage erlöst ist“ (S. 216/218).
Auch Schwabl sah die ‚Judenfrage‘ als gelöst an. Auf die Gewalt sowie die Zerstörung von Synagogen und Geschäften in der Messestadt ging er indes nicht ein. Er erweckte vielmehr den Eindruck, als seien lediglich Geschäfte geschlossen worden – eine absolute Verdrehung der historischen Tatsachen.
Zur Biografie Schwabls liegen mir bislang keine weiteren Hinweise vor.