9. November 1938 – 13. /14. Februar 1945 (1)

Als der Maler Otto Griebel am Morgen des 10. November 1938 das Geschehen vor der Ruine der Dresdner Synagoge verfolgte, traf er auch auf „einen kleinen, alten Fürsorgeempfänger, ein bärtiges Männlein, dem Franz Hackel und ich den Namen ‚Der Diogenes von Dresden‘ gegeben hatten, weil er immerfort am Elbestrand in der Sonne lag und alles verfolgte, was in der Stadt so vor sich ging. Wir waren vom ‚Stempelpark‘ her gute Bekannte, und als mich der Alte nun erblickte, meinte er fast beschwörend und mit blitzenden Augen: ‚Dieses Feuer kehrt zurück. Es wird einen großen Bogen gehen und wieder zu uns kommen!‘ Dann entschwand er.“ So hielt es Griebel in seinen Lebenserinnerungen fest (Griebel, Otto: Ich war ein Mann der Strasse. Lebenserinnerungen eines Dresdner Malers, Halle/Leipzig 1986, S. 401).

Synagogenzerstörung und Stadtzerstörung

Was Griebel erlebte, soll kein Einzelfall gewesen sein: Mehrere Zeitzeugen, die die Zerstörung der Synagoge und die Misshandlungen der Gemeindebeamten am 10. November erlebten, befürchteten, dass sich dies – so der O-Ton einer Zeitzeugin – einmal bitter rächen werde.

Die Zerstörung Dresdens im Februar 1945 war 1938 freilich noch nicht absehbar. Gleichwohl hatte das Jahr in seinem Verlauf an mehreren Stellen deutlich gemacht, dass das nationalsozialistische Regime den Krieg durchaus einkalkulierte. Vor allem die englische Appeasement-Politik und das Münchner Abkommen hatten erst wenige Woche zuvor eine militärische Initiative des Deutschen Reichs in der ‚Sudetenkrise‘ abgewendet.

Erinnerungsnarrativ

Der enge, auch nach Kriegsende immer wieder hergestellte und auch in der Erinnerungspolitik betonte Zusammenhang von Synagogenzerstörung und Stadtzerstörung ‚erfüllte‘ sich historisch erst im Februar 1945. In Bezug auf die Folgen des Krieges galt die Synagoge vielen Zeitgenossen als eine der ersten Ruinen der Elbestadt (obwohl auch andere Bauten von historisch-kulturellem Wert, wie etwas Kugelhaus, bereits früher hatten weichen müssen).

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