Zu meinem letzten Vortrag zu den sächsischen Novemberpogromen in Frankenberg wurde auch die Frage gestellt, wie denn die Menschen angesichts der Gewalt reagiert hätten und ob man den etwas dazu sagen könne, ob es neben den organisierten Pogromtätern vielleicht doch irgendwo eine mobilisierbare Masse gegeben habe.
Nach den mir bislang bekannten Quellen ist eine Gesamtübersicht für Sachsen indes schwierig. Es finden sich aber zumindest für einzelne Orte Rückmeldungen oder Wahrnehmungen in Zeitzeugenberichten oder Autobiografien. Allein: Natürlich sind auch diese Quellen subjektiv und oft war nur schwer zu unterscheiden, wer organisierter Täter war und wer sich zum Mitmachen hinreißen ließ. Oft hatten gerade SA-Männer die dienstliche Anweisung erhalten, in Zivilkleidung aufzutreten.
Wahrnehmungen in Leipzig
In Leipzig war es Siegfried Theodor Arndt, die die Pogromgewalt und auch die Menschen darum herum erlebte. In seinen Jahrzehnte später niedergelegten Lebenserinnerungen nahm er die Zuschauer wie folgt wahr:
„Es ist erschreckend, daß ein solches Ereignis keine Nachwirkungen hatte. Damals gab es Leute, die sich über das freuten, was den Juden passierte, aber die Mehrheit schaute weg. Die furchtbare Entfremdung zwischen Juden und Christen wurde deutlich. Unter den Brandstiftern in Leipzig war ein protestantischer Theologe, wie ich erst viel später erfuhr. Die Konsequenz war eine nicht eingestandene Angst und – Schweigen. Ich dachte nach wie vor: Wenn das der Führer wußte! Noch heute mache ich die Erfahrung, daß meine Altersgenossen nicht über die Judenverfolgung sprechen, obwohl sie andeuten, das Novemberpogrom zur Kenntnis genommen zu haben“ (Löffler, Katrin: Keine billige Gnade. Siegfried Theodor Arndt und das christlich-jüdische Gespräch in der DDR, Hildesheim 2011, S. 228).