Raub und Zerstörung jüdischen Kulturguts (3): Beschlagnahmen in Leipzig

In Leipzig agierten bereits in der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 SD-Angehörige, um auch mit Hilfe von Lastkraftwagen der Stadtreinigung Archivgut der Israelitischen Religionsgemeinde und von jüdischen Vereinen zu beschlagnahmen.

SD-Mann Kleber

SS-Männer transportierten aus dem Jüdischen Jugendhaus Möbel und Kleidungsstücke ab. Schriftgut des Jüdischen Pfadfinderbundes und weiterer Vereine wurden für den SD beschlagnahmt, darunter wohl auch das Archiv des zionistischen Turn- und Sportvereins Bar Kochba.

In der Messestadt – und dies zeigt, dass in dieser Nacht wie am kommenden Tag zumindest in den meisten sächsischen Großstädten Akteure auf unterschiedlicher Befehlsgrundlage mit- und nebeneinander agierten – waren es der SD-Judenreferent Werner Kleber sowie der SS-Scharführer und Judenreferent des SD-Unterabschnitts Leipzig Walter Hirche, die im Zusammenspiel mit der Gestapo die Sicherstellungen vornahmen.

Darüber schrieb der Historiker Carsten Schreiber: „Inmitten des von der Parteiführung gewollten Chaos der ‚Reichskristallnacht‘‘ mit ihren zahlreichen Bränden und wilden Zerstörungen brachten Kleber und Hirche mit ihren Mitarbeitern unwiederbringliche Synagogenarchive und jüdisches Kulturgut vor dem Feuer und der Wut der randalierenden SA in Sicherheit – in die Sicherheit ihrer eigenen Geheimarchive“ (Schreiber, Carsten: Elite im Verborgenen. Ideologie und regionale Herrschaftspraxis des Sicherheitsdienstes der SS und seines Netzwerks am Beispiel Sachsens, München 2008, S. 238).

Sie beschlagnahmten nicht nur Unterlagen des ‚Central-Vereins‘, sondern auch 50 Leitz-Ordner der Zionistischen Organisation aus dem von der Zerstörung bedrohten Gebäude der Synagoge in der Keilstraße 4.

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