Aufgrund der euphemistischen Bildsprache des Begriffs „Reichskristallnacht“, greifen Forschung und Erinnerungskultur heute in der Regel auf den Terminus „Pogrom“ in seinen verschiedenen Varianten („Pogromnacht“; „Novemberpogrom“) zurück.
Pogrom heißt Zerstörung
Der Begriff „Pogrom“ geht auf das russische Verb „pogromit“ zurück, was so viel bedeutet wie „verwüsten“, „zerstören“ (wörtlich: nach dem Donner „po gromit“; siehe auch das HATiKVA-Projekt „Pogrom heißt Zerstörung„). Der Begriff kam in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf. Die damit umschriebenen gewalttätigen und mörderischen Verfolgungen in einzelnen Orten und Regionen des östlichen Europa zwischen 1881 und 1921 – vor allem in den Jahren 1881-1884, 1903-1906 und 1917-1921 – richteten sich in erster Linie gegen Juden. Diesen wurde etwa Christus- oder Ritualmord und Spionage vorgeworfen oder deren wirtschaftliche Stellung nicht akzeptiert (vgl. Karte der Pogrome im sogenannten Ansiedlungsrayon bis 1906).
Verbreitung nach Westeuropa
Den Pogromen im Russischen Reich fielen tausende Menschen und jüdische Kultuseinrichtungen zum Opfer. Über die Presse, Literatur und Dokumentationen jüdischer Organisationen gelangte der Begriff nach Westeuropa. Von den Ereignissen betroffene oder bedrohte Juden migrierten in der Folge vielfach nach Westen und insbesondere auch nach Sachsen.
Sofern sie nicht weiter wanderten oder bis Herbst 1938 emigriert waren, sahen sie beziehungsweise ihre Nachfahren sich dann nicht selten von Verhaftungen, der „Polenaktion“ und schließlich auch von den Novemberpogromen betroffen.