Henning Böhme, Jahrgang 1921, schrieb Anfang der 1980er-Jahre in seinen Erinnerungen auch über die von ihm erlebten Pogromereignisse in Leipzig.
Ein Schüler erlebt die Pogrome in Leipzig
Böhme erinnerte sich, von den Pogromen erst am Morgen des 10. November 1938 in der Nikolaischule erfahren zu haben, da sich an seinem Schulweg keine Synagogen oder ‚jüdischen‘ Geschäfte befunden hätten. Viele Unterprimaner erzählten von dem noch rauchenden Kaufhaus Bamberger und Hertz, das am Augustusplatz von den Nationalsozialisten in Brand gesteckt worden war. In den Pausen sei dann nur noch von Brandruinen und Verwüstungen die Rede gewesen. So erfuhr Böhme unter anderem von Brand der Synagoge an der Gottschedstraße und der Zusammentreibung von als ‚Juden‘ Verfolgten im Flussbett der Parthe.
Neugier und Pogrom
Nach Unterrichtsende habe er dann einen Umweg über den Augustusplatz gemacht und die Ruine von Bamberger und Hertz selbst gesehen, ebenso am Johannisplatz eingeschlagene Schaufenster. Auf Holzbretter seien Zettel mit der Aufschrift „Kauft nicht bei Juden!“ geklebt und die Geschäfte zur Verhinderung von Plünderungen von der SA bewacht gewesen.
Angesichts all dessen durchfuhr Böhme im Rückblick ein Gedanke: „Für Sekunden geht es mir durch den Kopf: wenn du nun Jude gewesen wärst“ (S. 109).
Nachzulesen bei: Böhme, Henning: „… wie bei einem Wettbewerb: Wer hat die größten Verwüstungen gesehen?“, in: Hardegen, Friedrich Detlev (Hg.): Hingesehen – Weggeschaut. Die Novemberpogrome 1938 in Augenzeugenberichten, Berlin 2008, S. 108–110.
Originalquelle: Böhme, Henning: Ich bin schon viele Male gestorben. Autobiographische Reflexionen zur Zeitgeschichte, Typoskript 1984, Deutsches Tagebucharchiv e. V., Emmendingen, Signatur 681, 1.
Pingback: Radio Strasbourg – ein „jüdischer Hetzsender“? - BRUCH|STÜCKE