Zu den Menschen, die nach den Pogromen wegen judenfreundlicher Äußerungen und Pogromkritik angezeigt wurden, gehörte auch die 1911 in Bermsgrün geborene Toni Bitterlich. Das Ehepaar hatte einen kommunistischen Hintergrund; Toni Bitterlich sah wegen mutmaßlichen Hochverrats 1934 bereits ein halbes Jahr in Untersuchungshaft.
Kritik an der ‚Judenaktion‘
Bitterlich arbeitete als Stanzerin in der Beierfelder Lampenfabrik Hermann Nier. Dort sprach sie mit der Hilfsarbeiterin Elfriede Möckel. Sie äußerte dabei, „daß den Juden Unrecht geschehen sei, da diese sich doch ganz anständig aufführten. die Juden seien auch anständige Menschen.“ Außerdem äußerte sie sich zu sozialen Einrichtungen für Arbeiter in der Sowjetunion.
Bitterlichs Aussagen führen zur Untersuchung durch die Gestapo-Stelle in Plauen im Mai 1939. Bitterlich räumte dabei ein: „Es ist richtig, daß ich die Judenaktion damals nicht gutgeheißen habe. Ich habe den Sinn dieser Sache damals noch nicht verstanden. Heute sehe ich ein, daß richtig gehandelt worden ist.“ Die Aussage und auch das Eingeständnis, die ‚Judenaktion‘ für gut zu befinden, ist vor dem Hintergrund des drohenden Verfahrens zu sehen und entsprechend zu hinterfragen.
Einstellung des Verfahrens
Die schließlich mit dem Fall betraute Oberstaatsanwaltschaft des Sondergerichts in Freiberg untersuchte in erster Linie den Verdacht der kommunistischen Mundpropaganda. Die Vorwürfe wegen judenfreundlicher Äußerungen wertete der Staatsanwalt vor allem mit Blick auf die angeblich „spontanen Kundgebungen“ des Volkes und nicht als gegen Staat oder NSDAP gerichtet. Die Anwendung des Heimtückegesetzes kam deshalb nicht in Betracht. Ende September 1939 ordnete die Staatsanwaltschaft an, keine Strafverfolgung einzuleiten, die Denunzierte allerdings eindringlich zu verwarnen.
Die entsprechende Sondergerichtsakte ist im Hauptstaatsarchiv in Dresden überliefert.