Zu den Menschen, die die Pogromereignisse vor Augen hatten und selbst als ‚Juden‘ verfolgt waren, gehörte auch der Dresdner Romanist Victor Klemperer. Als Professor von den Nationalsozialisten wegen seiner jüdischen Herkunft entlassen – Klemperer hatte sich 1912 taufen lassen – erfuhr und beobachte er die zunehmende Zurücksetzung und Verfolgung. Sein LTI und die Tagebücher geben hiervon Zeugnis.
Die Tagebücher als Quelle
In seinen Tagebüchern geht Klemperer auch auf die Dresdner Pogromereignisse ein. So schreibt er am 22. November 1938:
„Erst war es wohl der Wille, ein Stückchen in der Arbeit vorwärtszukommen, ehe ich wieder eine Tagebuchnotiz machte, und dann kam Unheil über Unheil, man kann wohl schon sagen: Unglück. Erst Krankheit, dann der Autounfall, dann im Anschluß an die Pariser Grünspan-Schiessaffaire die Verfolgung, seitdem das Ringen um Auswanderung“ (Victor Klemperer: Die Tagebücher, S. 1150).
Und an anderer Stelle unter demselben Datum:
„Als ich […] noch einmal nach Pirna fuhr, war inzwischen die Grünspanaffaire erfolgt. Vor der Fahrt hatte ich eben bei [Jordan] Natcheff gehört, dass man die Nacht zuvor spontan die hiesige Synagoge niedergebrannt u. jüdische Fensterscheiben eingeschlagen habe. Ich brauche die historischen Ereignisse der nächsten Tage, die Gewaltmassnahmen, unsere Depression nicht zu schildern. Nur das Engpersönliche und conkret Tatsächliche“ (Victor Klemperer: Die Tagebücher, S. 1155).
Hausdurchsuchung in Dölzschen
Und persönlich betroffen war das Ehepaar Klemperer dann am 11. November 1938: Es mussten eine Hausdurchsuchung durch zwei Gendarmen und einen Zivilisten über sich ergehen lassen; Victor Klemperer wurde zunächst mit aufs Gericht am Münchner Platz genommen, kam aber noch am selben Tag wieder frei.
Quelle: Victor Klemperer. Die Tagebücher 1933-1945. Kommentierte Gesamtausgabe, hg. Walter Nowojski unter Mitarbeit von Christian Löser, Berlin 2007.