Im Grunde war es nur schwer möglich, nichts von den lokalen Pogromereignissen mitzubekommen, wenn man als gesunder Erwachsener den November 1938 erlebte: Neben der massiven antisemitischen Propaganda in Presse und Rundfunk fanden zuhauf antisemitische Lokalveranstaltungen statt und in der Bevölkerung sowie an den Schulen kursierten, das zeigen die Zeitzeugenberichte, zahlreiche Berichte wie Gerüchte zu den Gewaltexzessen und Verhaftungen.
Ahnungslose Kinder?
Gleichwohl: Mit Sicherheit wussten nicht alle Zeitgenossen von der Pogromgewalt: Gerade Kinder wurden oft von politischen und Gewaltthemen weitgehend abgeschirmt. So etwa der 1927 geborene Werner Wittig, der in dem heute zur Gemeinde Oberschöna gehörenden Dorf Bräunsdorf lebte. Zu seinem Wissen um Pogrom und Judenverfolgung hielt er fest: „Als elf-jähriger Pimpf habe ich von den Judenverfolgungen weder in der Schule noch im Elternhaus etwas erfahren“ (Wittig, Werner: Lebens-Spuren. Autobiographische Notizen eines Flakhelfers, viele Schutzengel und eine große Familie, Bd. 1, Borsdorf 2013, S. 118).
Doch selbst Wittig musste einräumen, dass ihm als Schüler Hitlers Judenhass bekannt gewesen sei.
Vergessen und Schweigen
An anderen Menschen wiederum gingen die Ereignisse vielleicht einfach vorüber und wurden zunächst wieder vergessen. Andere hüllten sich angesichts aktiver persönlicher Tatbeteiligung oder Nutznießerschaft nach 1945 bewusst in einen Mantel des Schweigens.