Pogromgedenken in Sachsen (2): Ein Artikel in Die Union von 1969

Ab etwa den 1960er-Jahren finden sich auch in den in Sachsen erscheinenden Tageszeitungen zunächst meist kleinere Beiträge, die um den Jahrestag der Novemberpogrome von 1938 an das Ereignis erinnerten und eine Einordnung vornahmen.

Heinrich Finks Betrachtung zum Sonntag

Im November 1969 erschien im Blatt der ostdeutschen CDU (damals CDUD) Heinrich Finks* Betrachtungen zum Sonntag unter dem Titel „Schrille Nacht, unheilige Nacht“ (Die Union 24, 263 (08.11.1969)). Fink nahm sowohl auf den verharmlosenden Begriff der ‚Kristallnacht‘ Bezug, ging dann aber vor allem auf die Rolle der Christen angesichts der Pogrome ein – mit Verweis auf einen von ihm 1968 publizierten Buchband (Fink, Heinrich (Hg.): Stärker als die Angst. Den sechs Millionen, die keinen Retter fanden, Berlin: Union-Verlag).

In vielen Fällen, so Fink, habe der Christ die Wahrheit des Gleichnisses vom barmherzigen Samariter, für das gerade der Jude der Testfall sei, nicht gelebt. Vielmehr habe er diese Wahrheit „erst von Sozialisten und Kommunisten lernen“ müssen. Der Bezug zum antifaschistischen Gründungsverständnis der DDR ist hier offensichtlich.

Die Stellung der Augenzeugen

Den Augenzeugen, so Fink weiter, komme in der Erinnerungspolitik eine wichtige Rolle zu, um der jungen Generation ein Verständnis zu den Ereignissen der Judenvernichtung zu vermitteln. Allerdings: „Viele dieser Augenzeugen reden aber heute von ihrer Tatenlosigkeit in biedermännischer Selbstrechtfertigung: ‚Man konnte ja doch nichts tun, jeder Versuch wäre sinnlos gewesen …‘ Vielleicht hat, wer heute noch so redet, nur nicht den Mut zuzugeben, daß er Möglichkeiten zur Hilfe gar nicht erst geprüft hat, weil auch er im ‚großdeutschen‘ Machtrausch unter Narkose stand.“ Damit räumt der Verfasser den untätigen Zuschauern immerhin ein, dass sie einer kollektiven Verführung erlegen seien und deshalb nicht antifaschistisch hätten handeln können.

Judenhass in Geschichte und Gegenwart

Auch der Judenhass sei nicht nur Teil der Menschheitsgeschichte sondern auch der christlichen Predigttradition. Auch aus dem „Arsenal kirchlicher Lehre und Terminologie“ hätten sich die „Nazi-Ideologen ihre antisemitischen Waffen“ holen können, auch bei Luther.

Finks Beitrag endet mit dem Aufruf zur Buße: „Der Kampf gegen den Neufaschismus aller Variationen gilt ebenso dem Antisemitismus, besonders da, wo er sich christlich tarnt. […] Nicht an Argumenten von Atheisten, sondern ausschließlich an der Unbußfertigkeit von Christen kann die Kirche zu Grunde gehen.

* Der Artikel ist mit „Dr. Heinrich Fink“ gezeichnet – vermutlich handelt es sich hier um den 1935 geborenen Berliner Theologieprofessor Heinrich Fink.

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