Auch am 11. November 1938 lassen Lothar Steyer die Pogromereignisse in Chemnitz nicht los. In seinem Tagebuch schreibt er unter diesem Datum von den weiteren Entwicklungen in der Stadt:
„Der Inhaber des Geschäftes Tietz: ‚Geist‘ und seine Frau sollen erschossen sein!* Alle Juden sind vermutlich in Konzentrationslagern.
Die Synagoge ist bis auf die Mauern völlig in Trümmer. Der Abbruch beginnt bereit.
Ein Aufruf Göbbels [Goebbels] (i. d. Zeitung) deckt diese tat der Reichsleitung mit dem Vorwand der ‚Volkswut‘. Während ein sehr großer Teil des Volkes diese Mutsache mißbilligt“ (Stadtarchiv Chemnitz, Zeitgeschichtliche Sammlung, ZGSL 83).
* Erschossen wurde Hermann Fürstenheim, der Geschäftsführer des Tietz. Seine Frau floh nach Berlin.
Der Tagebucheintrag des 17-Jährigen zeigt damit deutlich, dass viele Zeitgenossen sehr genau wussten, wer für die Gewalt verantwortlich zeichnete und dass die Ereignisse alles, nur nicht ‚spontaner Volkszorn‘ waren. Außerdem hörte Steyer auch die Gerüchte von dem Mord an Fürstenheim und die Verschleppung verhafteter Juden in Konzentrationslager.