Zu den Augenzeugen, die die Ruine der am 9./10. November 1938 niedergebrannten Dresdner Synagoge sahen, gehörte auch der 1927 geborene Schüler Johannes Lenz.
Lenz besuchte die Rudolf-Steiner-Schule. Die Familie lebte in der Forststraße. 1955 wurde er zum Priester der Christengemeinschaft geweiht – wie sein Vater Eduard Lenz.
Die Ruine der Dresdner Synagoge
In seinen Erinnerungen schrieb Lenz über das Erlebte:
„Der morgendliche Weg auf dem Wanderer-Fahrrad zur Schule verlief von der Walpurgisstraße durch den Portikus an der Georgswiese vorbei zur Elbbrücke. Ich überquerte diese, um einzuschwenken und die am Ufer liegende Dreikönigsschule, an der die Elbe vorbeiströmte, zu erreichen. Bevor ich den Fluß erreichte, fiel immer wieder der Blick auf die Reste der Dresdner Synagoge. Genaues wusste ich nicht, ich hatte nur gehört, dass in der Nacht des 9. November 1938 die Synagoge niedergebrannt worden sei. Das Gotteshaus und Versammlungszentrum der jüdischen Gemeinde in Dresden niedergebrannt? Wer hatte das getan? Man munkelte, dass die Feuerwehren zwar gekommen seien, aber den Befehl gehabt hätten, nicht zu löschen und zuzuschauen. Konnte so etwas in Deutschland tatsächlich passieren? Was waren überhaupt Juden? Waren es nicht Deutsche, die lediglich zu einer anderen Gemeinde und einem anderen Gotteshaus gingen als wir […]. Fast an jedem Morgen wandte ich den Blick hinunter zu der Ruine. Seltsam sprach sie mich an. In der Empfindung verband sich mit dem Blick das Gefühl eines großen Unglücks, das sich zu drohendem Unheil auswachsen könne“ (Lenz, Johannes: Erinnern für die Zukunft. Eine Autobiografie, 2., durchges. Aufl., Stuttgart 2003, S. 63 f.).
Drohendes Unheil
Wie viele andere Zeitgenossen schilderte Lenz seine Wahrnehmung der Ereignisse so, dass er darin bereits drohendes Unheil ahnte. Mit dem Zweiten Weltkrieg und der Zerstörung Dresdens 1945 erfüllte sich diese erinnerte Vorhersage.