Gerichts- und Polizeiakten, sofern sie überliefert sind, zeigen, dass es einige Fälle gab, in denen Unmutsäußerungen oder Pogromkritik zu Denunziationen durch Dritte führten.
Ein Molkereibetreiber in Leipzig
In Leipzig zeigte der Kreisbeauftragte des Winterhilfswerks, H. Fischer, den Molkereiinhaber Otto Henze beim Polizeipräsidium Leipzig an. Er warf Henze vor, in einer Nähstube des Winterhilfswerks am 10. November geäußert zu haben, dass „so grosse Unruhe in der Stadt [herrsche], die Menschen […] blutig geschlagen [werden]. Unser Staat ist über Nacht ein Räuberstaat geworden.“
Vernehmung durch die Geheime Staatspolizei
Im Februar 1939 wurde Henze durch die Leipziger Gestapo vernommen. Er betonte dabei, dass er lediglich kritisiert habe, was ihm Dritte berichtet hätten, und zwar, „daß Plünderungen und Diebstähle geschehen seien und sogar Leute in den Schaufenstern gestanden hätten und sich Mäntel angezogen haben. Keinesfalls wollt [sic!] ich dadurch Partei für die Juden ergreifen.“
Zudem versicherte er, treu hinter der nationalsozialistischen Regierung zu stehen.
Einstellung des Verfahrens beim Sondergericht Freiberg
Henzes Fall kam an das Freiberger Sondergericht, das 1933 eigens zur Ahndung von Verbrechen gegen den Staat nach der sogenannten ‚Reichstagsbrandverordnung‘ (Verordnung zum Schutz von Volk und Staat) eingerichtet worden war. Das Gericht stellte das Verfahren allerdings mangels rechtlicher Handhabe ein.
Die entsprechende Sondergerichtsakte ist im Hauptstaatsarchiv in Dresden überliefert.