Der 1921 geborene Henning Böhme erlebte als Schüler nicht nur die Pogromereignisse in Leipzig, sondern er gibt noch einen weiteren Hinweis auf die Reichweite und Auswirkungen der deutschlandweiten Gewaltexzesse.
Radio Strasbourg – der „jüdische Hetzsender“?
Zusammen mit seinem Bruder habe er am Abend des 10. November 1938 heimlich ‚Volksempfänger‘ gehört. Eingestellt hätten sie Radio Strasbourg, wo es eine Meldung zum größten Judenpogrom – bezogen auf die Ereignisse im Deutschen Reich – gegeben habe.
Es sei dann der Vater gewesen, der das Hören des „jüdischen Hetzsender[s]“ unterbrochen habe (nachzulesen bei: Böhme, Henning: „… wie bei einem Wettbewerb: Wer hat die größten Verwüstungen gesehen?“, in: Hardegen, Friedrich Detlev (Hg.): Hingesehen – Weggeschaut. Die Novemberpogrome 1938 in Augenzeugenberichten, Berlin 2008, S. 108–110, hier: S. 109 f.).
Radio Strasbourg – Rundfunk gegen die nationalsozialistische Propaganda
Es lohnt sich, dem Hinweis auf das Medium des Radios im Kontext der Novemberpogrome nachzugehen. Der seit November 1930 bestehende Sender Radio Strasbourg, dessen Redaktion ihren Sitz in Strasbourg hatte, richtete seine deutschsprachigen Sendungen vor allem nach Elsass-Lothringen.
Ab 1936 existierte in Paris eine, unter dem gleichen Label („Ici Strasbourg“) firmierende Emigrantenredaktion, deren Sendungen sich vor allem an Zuhörer im Deutschen Reich richteten. Sie unterstand der Kontrolle des französischen Außenministeriums, war mithin eine direkte Einrichtung der Auslandsrundfunkpropaganda.
Was Böhme und sein Bruder hörten, war also vermutlich eine Sendung der Pariser Emigrantenredaktion. Diese Spur ließe sich weiter verfolgen, denn vielleicht gibt es in den Archiven noch eine überlieferte Sendungsmitschrift oder einen -mitschnitt.
Ein Radiobericht zum Brand einer Synagoge in Wien
Eine Reportage des Reporters Eldon Walli über die Zerstörung des Tempels in Wien-Leopoldstadt kann man sich über die Österreichische Mediathek anhören. Er ist von der antisemitischen Propaganda des nationalsozialistischen Regimes durchzogen: Man habe etwa, so Walli, nichts dagegen, dass die Ruine des ‚Judentempels‘ einstürze, und sei empört, dass sich die Juden aus dem Staub gemacht hätten.