Der Brief von Therese Wassermann an ihren Sohn Willy schilderte allerdings nicht nur die Bautzener Pogromereignisse: Vielmehr schildert er auch die weitere Verfolgungsmaßnahmen des nationalsozialistischen Regimes gegen die Familie.
Emigrieren oder Bleiben?
Ihrem Sohn Willy gegenüber klagte Wassermann nach den Pogromen ganz offen: „[E]ine Ahnung vom Kommenden hätte ich haben müßen, dann wäre ich im vorigen Jahr gar nicht mehr hier her gefahren, aber wer konnte das ahnen.“ Damals hatte sie sich 14 Tage zu Besuch bei Willy und dessen Frau Alice in Amsterdam aufgehalten – sich aber gegen die Emigration entschieden. Bei ihrer Vernehmung gab sie ebenfalls an, ihre Ausreise nicht zu planen.
Pogromereignisse in Bischofswerda?
Interessant ist noch eine weitere Information: Wassermann, die in Dresden auf Vermittlung der Jüdischen Gemeinde bei der Familie Brieger untergekommen war, erlebte in Dresden auch den Besuch eines aus dem Konzentrationslager entlassenen Verfolgten: „Der Jude Michel aus Bischofswerda, der mich bei Briegers besuchte, erzählte mir, daß aus gesundheitlichen Gründen in Buchenwald das Haar der Insassen kurz geschoren wurde. Er war selbst von dort gekommen. Meine Worte mit der Entledigung der Bärte hat er wahrscheinlich auch mit erzählt.“ Es ist dies ein erster Hinweis darauf, dass möglicherweise auch als Juden verfolgte Menschen aus Bischofswerda im November 1938 verhaftet wurden (zumindest für 1924 lässt eine erste Adressbuchrechereche den Namen Hermann Michel nachweisen).